„Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ – Die zweite Stufe muss jetzt zünden! : Datum:
Um eine echte Wirkung entfalten zu können, müssen die Ergebnisse der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ für die zweite Phase zugänglich gemacht werden – hierzu benötigt man jedoch kein neues Förderprogramm. Die Strukturen zwischen erster und zweiter Phase bestehen oder können mit etwas gutem Willen hergestellt werden.
Ein Kommentar von Claus Hagemann
Was hat Raketentechnik mit Lehrkräftebildung zu tun? Zunächst wenig. Doch genauer betrachtet, lassen sich erstaunliche Parallelen erkennen: Um einen trägen Körper gegen die Anziehungskraft der Erde zu beschleunigen, bedarf es erheblicher Energie. Wenn die Rakete dann auf dem Weg zum Ziel ist und der Erdanziehung immer mehr entflieht, wird die zweite Stufe gezündet, mit der man besser lenken und den Schub dosieren kann. Schließlich erreicht sie die geostationäre Umlaufbahn und setzt dort zum Beispiel einen Satelliten aus, wenn alles gut geht.
Mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ verhält es sich ähnlich. Der Bund hat sie mit 500 Millionen Euro „offensiv“ zehn Jahre angeschoben. In der ersten Phase der Lehrkräftebildung wurden so an den Hochschulen zahlreiche Projekte und Desiderate definiert und bearbeitet. Begleitet von Kongressen und Workshops, mit Promotionen und Veröffentlichungen, und nachjustiert mit den Themen Digitalisierung und Berufliche Lehrkräftebildung erreichte sie ungeahnte akademische Höhen. Doch nun sind die „Booster“ abgeworfen, die Förderung eingestellt.
Wie geht es weiter? Zündet die zweite Stufe? Schaffen es die Ergebnisse in eine feste Umlaufbahn? Es ist an der Zeit, nach den tatsächlichen, praxistauglichen „outcomes“ zu fragen. Welches Projekt, welche Anregung ist geeignet, welche Ergebnisse schaffen es in die breite Praxis?
Um eine echte Wirkung entfalten zu können, ist nun die zweite Phase der Lehrkräftebildung gefragt. Dort findet die hochschulische Lehrkräftebildung ihren direkten Abschluss, hier werden die jungen Lehrkräfte „on the job“ an den Schulen ausgebildet und abschließend geprüft. Ohne Wirkung auf die zweite Phase bliebe die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ ein akademisches Glasperlenspiel, ein historisch abgeschlossenes bildungspolitisches Strohfeuer. Oder raketentechnisch ausgedrückt: Sie verglüht in der Atmosphäre.
Jetzt muss die zweite Phase zünden. Dazu müssen Ergebnisse für die zweite Phase zugänglich, aufbereitet und erklärt werden. Hierzu hat unser Schwerpunktheft „Rückblick auf die Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ eine erste Brücke geschlagen. Vertreterinnen und Vertreter der ersten und zweiten Phase müssen jetzt an einen Tisch. Dabei gilt es, die eigenen „Standesinteressen“ zurückzustellen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dazu benötigt es kein neues Förderprogramm. Die Strukturen bestehen oder können mit etwas gutem Willen hergestellt werden. Es geht schließlich um die Bildung unserer Schülerinnen und Schüler. Und da können wir praxiswirksame Ideen und Impulse gut gebrauchen.
Dr. Claus Hagemann ist Autor und Mitherausgeber der „Vierteljahresschrift für Lehrerbildung und Schule“, SEMINAR, Ausgabe 2/23 mit dem Titel: Rückblick auf die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“. Er arbeitet in der Zweiten Phase der Lehrkräftebildung als Fachleiter am Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) Kleve, Nordrhein-Westfalen.