Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ – Aktuelles, Erreichtes und neue Herausforderungen : Datum:
Eine Gesprächsrunde mit Cornelia Gräsel, Co-Vorsitzende des Auswahlgremiums (AWG), Bernd Engler, Rektor der Universität Tübingen, Ilka Parchmann, Vizepräsidentin für Lehramt, Wissenschaftskommunikation und Weiterbildung der Christian-Albrechts-Universität Kiel und Iris Winkler, Vizepräsidentin für Studium und Lehre der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Seit 2015 läuft das gemeinsame Programm von Bund und Ländern „Qualitätsoffensive Lehrer-bildung“. Was waren übergreifend aus Sicht des AWG die größten Herausforderungen, denen sich die Hochschulen damals stellen mussten?
Gräsel: Es waren vor allem zwei Herausforderungen. Erstens: Die Hochschulen mussten ein Gesamtkonzept entwickeln, in dem alle Aspekte von Lehrerbildung an einer Hochschule integriert werden mussten und das dann nachweisbare Verbesserungen in der Lehrerbildung erzielen sollte. [...] Und zweitens war es der Anspruch, im Antrag eine datenbasierte Ausgangslage darzustellen, die bewusst macht, was die Qualität der Lehrerbildung ist und was sie sein solle. „Wo wollen wir starten, wo sind Stärken und Schwächen am jeweiligen Standort?“ Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ hat erfordert, dass die Universität eine umfassende Strategie entwickelt und
verfolgt und nicht einzelne Projekte ins Zentrum rückt. Es war ein wichtiges Qualitätskriterium bei der Auswahl, dass eine Governancestruktur hinterlegt sein muss.
Und wie stellte sich die Situation für die Hochschulen an den einzelnen Standorten dar?
Winkler: Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ war aus Sicht der Universität in Jena Anlass dafür, dass sich Akteure, die einem scheinbar homogenen Feld – nämlich der Lehrerbildung – zugeordnet werden, auch an ihrem Standort zusammenraufen. Vom Programm her ist der Anspruch, dass das Modell der Lehrerbildung an Hochschulen weiterentwickelt wird und dass man möglichst alle Akteure einbindet. Das war der Anlass, sie an einen Tisch zu bringen, und es war eine große Herausforderung. Wenn das gelungen ist, nützt die Zusammenarbeit allen beteiligten Bereichen, nicht nur dem Lehrerbildungsmodell.
Engler: Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ hat einen Reformimpuls gebracht. Darüber hinaus hat sie bei allen Akteuren einen Motivationsschub ausgelöst. Die Wertschätzung, die mit der Förderung durch das BMBF für die Lehrerbildung ausgesprochen wurde, bot für uns alle jedoch den eigentlichen Mehrwert des Programms. In Tübingen haben wir erkannt, dass wir zuvor sehr partikular und zu diversifiziert aufgestellt waren. Mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ mussten wir ein Gesamtkonzept entwickeln und passende standortspezifische Strukturen schaffen.
Was sind heute schon als Zwischenbilanz sichtbare Entwicklungen, die sowohl in die Universitäten und Hochschulen als auch nach außen ihre Wirkung zeigen?
Parchmann: Ein Riesengewinn ist, dass man mitbekommt, was an anderen Standorten passiert. Ich habe das in höchstem Maße schätzen gelernt, dass man über die Grenzen des eigenen Bundeslandes hinwegschaut und sieht, was alles geht und was man anders machen kann. [...] Ich denke, wir brauchen Strukturen oder Mechanismen, dass dieser Austausch bundesweit auch nach dem Programm weitergehen kann. Denn Lehrkräftebildung ist eine Gesamtaufgabe. Wir müssen uns noch besser vernetzen und miteinander arbeiten.
Welche Hemmnisse stehen den positiven Entwicklungen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ noch entgegen?
Winkler: Ein wichtiger Punkt ist, dass die Bundesländer unterschiedlich leistungsstark sind. [...] Das, was wir jetzt aufbauen, kann nach Auslaufen der Förderung nicht in dem Maße fortgeführt werden wie mit der Förderung. Und mit den unterschiedlichen Situationen in den Ländern hat auch zu tun, wie die Kooperation mit der zweiten und dritten Phase auf lange Sicht gelingen kann.
An welchen Entwicklungen lässt sich die Wirksamkeit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ schon heute feststellen?
Parchmann: Um Bildungsprozesse stetig zu optimieren, muss auch Geld in die Forschung und empirische Begleitung von Maßnahmen investiert werden. Diese Wahrnehmung hat in den lehrkräftebildenden Fächern zu forschungsbasierten Entwicklungen geführt. Darüber hinaus werden wir aber auch in andere Programme einbezogen, etwa in Lehr- und Transfervorhaben der Exzellenzcluster. Wir können noch viel mehr aufzeigen, welches Potenzial in der Lehrkräftebildung eben auch für Lehre insgesamt steckt.
Engler: Lehrerbildende, pädagogische und didaktische Fragen haben eine Eigenständigkeit entwickelt, und zwar in Verbindung mit Fächern, die Lehrerbildung früher zunächst eher als sekundär für ihr Fachprofil gehalten hätten. Das ist die neue Qualität, und die müssen wir aufrechterhalten.
Wie unterscheiden sich qualitativ die Ziele für die zweite Förderrunde? Welche Schwerpunkte setzen Sie damit für die Profilierung der Lehrerbildung?
Gräsel: Wir müssen nachhaltig darauf hinwirken, dass sich Forschungsbasierung weiter ausweitet und dass wir immer wieder sagen: Woher ziehen Sie jetzt eigentlich Ihr Urteil darüber, wie Dinge geschehen oder wie sie nicht geschehen? Was haben Sie für Gründe? Und dass wir auch selbstbewusster werden und sagen: Man kann über Fragen der Lehrerbildung besser sprechen, wenn man etwas darüber weiß und nicht nur persönliche Überzeugungen hat. [...] Die Universitäten und Hochschulen, nicht nur die, die beteiligt sind, sondern möglichst alle sollten sagen können: „Wenn wir eine Lehrerbildung haben, haben wir den gesellschaftlichen Anspruch zu erfüllen, eine qualitativ hohe Ausbildung für diesen wichtigen Beruf zu gewährleisten.“
Die vollständige Gesprächsrunde finden Sie im
Artikel "Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ – Aktuelles, Erreichtes und neue Herausforderungen" (PDF, 725KB, Datei ist nicht barrierefrei)der
BMBF-Broschüre "Eine Zwischenbilanz der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung". Erste Ergebnisse aus Forschung und Praxis" (11/2018).