Zweiter Programmkongress (11/2018)
8. November 2018
Gewinnung, Beratung und Begleitung von Studierenden des Lehramts
Der Film "Gewinnung - Beratung - Begleitung. Neue Wege in der Lehrerbildung" zeigte erfolgreich entwickelte und in die Praxis umgesetzte Maßnahmen dreier QLB-Projekte aus Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen – im Anschluss traten die Akteurinnen und Akteure des Films, OStRin Petja Meidlinger und Rosa-Maria Buchalik (Ludwig-Maximilians-Universität München), Dr. Jost Stellmacher (Philipps-Universität Marburg) sowie Prof. Dr. André Bresges und Marten Stockhausen (Universität zu Köln) miteinander auf dem Podium in Diskussion.
Zu Beginn stand das Thema „Beratung in den Praxisphasen“ im Fokus. Dr. Stellmacher stellte dar, dass im Marburger Modell die Praxisphasen systematisch vor- und nachbereitet werden, um die Stärken und Schwächen der Studierenden gezielt zu reflektieren. Ein begleitender Reflexionsprozess steht auch im Münchner Projekt „Coaching im Lehramt“ im Vordergrund. Hier betonte Meidlinger, dass den Studierenden möglichst frühzeitig Formate zur Reflexion geboten werden müssen. In Coachings, Workshops, Trainingsseminaren, Videoreflexionen und Beratungsgesprächen haben Studierende die Möglichkeit, ihre personalen Kompetenzen auszubauen. Auch die Studierenden Rosa-Maria Buchalik und Marten Stockhausen hoben hervor, dass die begleitenden Praxisphasen und die anschließende Reflexion sehr wichtig seien, um gut auf die Herausforderungen des Lehrberufs vorbereitet zu werden. Die Diskutanten waren sich einig, dass dieser Begleitprozess durch geschultes Personal in einem „geschützten“ Rahmen ohne Bewertung stattfinden sollte. Dies setzt allerdings entsprechende personelle und finanzielle Ressourcen voraus. „Wir haben es mit einem Lehr-Lern-Prozess, mit einem Bildungsprozess zu tun. Wir wissen, dass Feedback wichtig ist, aber es darf kein Selektionspunkt dadurch entstehen“, betonte Professor Bresges.
Darüber hinaus waren sich die Filmakteure einig, dass die Theorie frühzeitig in die Praxis übergehen müsse. „Gutes Grundlagenwissen ist trockene Materie, wenn es nicht in Erfahrung gebracht wird“, verdeutlichte Stellmacher. Daran anknüpfend diskutierten die Filmakteure über die Rolle der Übertragbarkeit der QLB-Projekte auf andere Hochschulen, die Verstetigung und Nachhaltigkeit. Bresges stellte in diesem Zusammenhang dar, dass es wichtig sei, mit Fachdidaktik, Fachwissenschaft und Bildungswissenschaft zu kooperieren und diese langfristig einzubinden. Darüber hinaus können digitale Werkzeuge zur Dokumentation sowie automatisierte Datenerfassung und -auswertung von standardisierten Fragebögen genutzt werden, um diese bspw. in Beratungen zu reflektieren. Darüber hinaus seien die Vernetzung und der Austausch zwischen den Projekten ein zentraler Aspekt in Bezug auf die Übertragbarkeit. Meidlinger hob den Aufbau von Partnerschaftsschulen hervor und wies darauf hin, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer aus der Praxis an den Universitäten arbeiten und ihr Wissen weitergeben sollten.
Kooperationen, Vernetzungen, Transfer und Nachhaltigkeit
Im Anschluss standen in acht parallelen Foren Kooperationen, Vernetzungen, Transfer und Nachhaltigkeit im Fokus:
Forum 1: Fachgruppen als Keimzellen der Zusammenarbeit von lehrerbildenden Akteurinnen und Akteuren
Forum 2: Wissenschafts- und Praxisbezug in der Lehrkräftebildung
Forum 3: Empirische Untersuchungen zur Nutzung und Wirksamkeit des Praxisbezugs in der Lehrkräftebildung
Forum 4: Konzepte und Herausforderungen universitärer Lehrerfort- und -weiterbildung
Forum 5: Nachhaltigkeit in der phasenübergreifenden Kooperation durch Etablierung von Kooperationsräumen
Forum 6: Qualifizierung von Mentorinnen und Mentoren in der Begleitung von Lehramtsstudierenden
Forum 7: Videos in der Lehrerbildung: Anwendungsfelder, Transfermöglichkeiten, Kooperationen
Forum 8: Institutionalisierte Lehrkooperation mit qualifizierten Menschen mit Behinderung
Lehrerbildung als gesellschaftspolitische Aufgabe: Welchen Beitrag kann die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ zur Bewältigung bildungspolitischer Herausforderungen leisten?
Zum Abschluss der Veranstaltung diskutierten Prof. Dr. Cornelia Gräsel (Universität Wuppertal, stellvertretende Vorsitzende des QLB-Auswahlgremiums), Kornelia Haugg (BMBF), Prof. Dr. Jan-Hendrik Olbertz (Humboldt-Universität zu Berlin), Marlis Tepe (Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) und Prof. Dr. Ewald Terhart (Universität Münster) über die Aufgaben und zukünftigen Herausforderungen der Lehrerbildung in Deutschland. Haugg berichtete, dass bei der Auswahl der Projekte für die zweite Förderphase, die in diesem Jahr erfolgt ist, dem Kriterium der Nachhaltigkeit eine hohe Bedeutung zukam. So wurden viele Hochschulen vom Auswahlgremium dazu aufgefordert, die Verstetigung von Institutionen und Strukturen zu forcieren, um die Lehrerbildung an den Standorten nachhaltig zu stärken. Die Bedeutung einer in der Breite wirksamen und nachhaltigen Verbesserung der Lehrerbildung sowie der Arbeitsbedingungen der an der Lehrerbildung beteiligten Akteure betonte auch Tepe. Professorin Gräsel hob hervor, dass die gezielte Förderung ausgewählter Projekte ein richtiger erster Schritt war, um herauszufinden, welche Maßnahmen und Instrumente sich bewähren.
Professor Olbertz, der von 2002 bis 2010 Kultusminister in Sachsen-Anhalt sowie von 2010 bis 2016 Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin war, griff den akuten Lehrkräftemangel in vielen Bundesländern auf und regte an, bei der Ausbildung von Lehrkräften großzügiger zu planen, auch auf die Gefahr hin, dass eventuell mehr Lehrkräfte auf dem Markt sein könnten als benötigt werden: „Die Lehrerbedarfsprognosen sind fast immer falsch. Ich kann mir nicht vorstellen, welchen Schaden unsere Gesellschaft nehmen sollte, wenn einmal zu viele Lehrkräfte da wären. Die Lehrerausbildung ist so vielseitig, dass man damit auch in vielen Bereichen außerhalb der Schule eine gute Beschäftigung finden kann.“
Einig waren sich die Diskutanten, dass es nicht nur erforderlich sei, die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte weiter zu verbessern, sondern auch die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern stärker in den Fokus zu nehmen. Für eine Fortbildungspflicht für Lehrkräfte und das Schaffen von Strukturen, die eine berufsbegleitende Qualifizierung ermöglichen, ohne zu einer Überforderung zu führen, sprachen sich Olbertz und Terhart aus. Eine bildungspolitische Einordnung der Qualitätsoffensive nahm Professor Terhart vor, der das Programm als „einen der wichtigsten bildungspolitischen Höhepunkte in Deutschland in den letzten 20 Jahren“ bezeichnete. Haugg bestätigte abschließend: „Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung war und ist das richtige Instrument zur richtigen Zeit.“