„Digitalisierung und…" - QLB-Promovierendenworkshops (2022/2023)
Beginnend im Herbst 2022 wartete die Programmbegleitung der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" mit einem neuen Format auf: Interaktive Online-Promovierendenworkshops, die unter dem facettenreichen Motto "Digitalisierung und Lehrkräftebildung" zum Austausch und zur Vernetzung des wissenschaftlichen Nachwuchses einluden.
Insgesamt wurden fünf Veranstaltungstermine angeboten mit unterschiedlichen aktuellen Schwerpunktthemen in Verbindung zur Digitalisierung:
Digitalisierung und MINT
Prof. Dr. Alexander Kauertz, Universität Koblenz-Landau
Digitalisierung und Inklusion
Prof. Dr. Anna-Maria Kamin, Universität Bielefeld
Digitalisierung und große gesellschaftliche Herausforderungen
Prof. Dr. Anke Wegner, Universität Trier
Der von mir geleitete Workshop thematisierte Zusammenhänge der Digitalität und der Auseinandersetzung mit „großen gesellschaftlichen Herausforderungen“. Ausgehend davon, dass Unterricht wesentlich auf die Ermöglichung von Bildung als Transformation von Selbst- und Weltverhältnissen abzielt, stellt sich die Frage, ob und inwiefern das derzeitige System Schule, der stets behäbige Tanker, dieses Ziel tatsächlich einzulösen imstande ist. Aus der Perspektive der Bildungsgangforschung braucht es vor allem die Anerkennung der Schülerinnen und Schüler als sich entwickelnde, sich bildende Subjekte und als Gestaltende ihres Bildungsgangs. Die digitalitätsbezogene Lehre geht jedoch allzu oft an den Sinnfragen und Bildungszielen der Schülerinnen und Schüler vorbei; pädagogische und didaktische Grundfragen mit Blick auf gesellschaftliche Herausforderungen und subjektive Ansprüche treten vielfach in den Hintergrund.
Prof. Dr. Anke Wegner ist Erziehungswissenschaftlerin (Allgemeine Didaktik, Unterrichtsforschung und Professionalisierungsforschung) und seit 2017 als Professorin für die Didaktik der deutschen Sprache mit einem Schwerpunkt auf Deutsch als Zweit- und Fremdsprache an der Universität Trier tätig. Im Projekt „TrigitalPro“ ist sie Sprecherin des Arbeitsfelds 02 zur digitalitätsbezogenen Lehre.
Digitalisierung und Heterogenität
Prof. Dr. Miriam Hess, Universität Bamberg
Damit angehende Lehrpersonen ihren späteren Unterricht (digital gestützt) qualitativ hochwertig umsetzen und reflektieren können, kommt der Lehrkräftebildung auch die Funktion eines möglichst hilfreichen Modells zu. Die Lehre wirkt im besten Fall wie ein „Pädagogischer Doppeldecker“, indem man sich mit dem Thema Digitalisierung beschäftigt und gleichzeitig selbst einen intelligenten Einsatz digitaler Medien realisiert. Dabei lässt sich der Einsatz digitaler Medien der sogenannten Oberflächenstruktur des Unterrichts zuordnen. Für das vertiefte Lernen entscheidend ist aber die Tiefenstruktur des Unterrichts, also die Qualität des Medieneinsatzes sowie spezifische Aspekte der Interaktion im Klassenzimmer, wie die Hilfestellungen der Lehrperson oder ein gewinnbringender Austausch der Lernenden untereinander.
Insgesamt ist die entscheidende Frage daher nicht, ob digitale Medien genutzt werden, sondern wie digitale Medien die Unterrichtsqualität in der Tiefenstruktur verbessern können.
Prof. Dr. Miriam Hess (geboren 1984) leitet seit April 2021 den Lehrstuhl für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Bamberg. Sie beschäftigt sie sich unter anderem mit den Themen Unterrichtsqualität, Kognitive Aktivierung und Feedback sowie mit der Persönlichkeits- und Lernentwicklung von Grundschulkindern. Ihre Schwerpunkte liegen in der videobasierten Unterrichtsforschung sowie der Forschung zu den Wirksamkeitsbedingungen des Einsatzes von Videos in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung.
Digitalisierung und Praxisphasen
Prof. Dr. Alexander Gröschner, Friedrich-Schiller-Universität Jena
In der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) bilden Gestaltungs- und Begleitkonzepte zu schulischen Praxisphasen einen Kernbestandteil der Entwicklungs- und Evaluationsprojekte. Dabei sind digitale Technologien aus dreierlei Hinsicht bedeutsam: (1) Der Einsatz digitaler Technologien unterstützt die Planung, Gestaltung und Reflexion von eigenen Unterrichtsversuchen der Studierenden in Praxisphasen. Hierfür sind digitalisierungsbezogene Kompetenzen der Studierenden erforderlich. (2) Als Begleiter und Unterstützer der Studierenden kommen dabei die Praktikumslehrpersonen und ihre eigenen digitalen Kompetenzen zum Tragen. Die Forschung zeigt, dass im Gegensatz zum üblichen Verhältnis der Studierenden zu ihren Mentorinnen und Mentoren in Bezug auf das Unterrichten, bei dem die Studierenden von den Lehrkräften lernen, beim Einsatz digitaler Technologien auch eine Form des „reverse mentoring“ einsetzen kann, bei dem die Praktikumslehrpersonen von den Studierenden lernen.
(3) Die Digitalisierung kann einen Beitrag leisten, dass sich die verantwortlichen Akteure der Lernbegleitung im Praktikum, Dozierende und Praktikumslehrpersonen, austauschen, abstimmen oder sogar ko-konstruktiv Rückmeldungen zum Unterricht der Studierenden bieten und somit im „Resonanzraum“ der Theorie-Praxis-Relationierung die jeweiligen Anforderungen an qualitätsvollen Unterricht veranschaulichen.
Alexander Gröschner ist Professor für Schul- und Unterrichtsforschung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Projektsprecher des QLB-Projekts „Digitale Lerngemeinschaften“ („DiLe“). Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der (videobasierten) Lehrerbildungs- und Unterrichtsforschung sowie evidenzbasierten Bildungspraxis.
Kontakt: alexander.groeschner@uni-jena.de
Die Promovierenden kamen unter der Leitung einer im Fachgebiet ausgewiesenen Persönlichkeit miteinander ins Gespräch über die zentralen Anliegen und Fragen der Lehrkräfteforschung, tauschten neueste Forschungserkenntnisse aus und hatten die Möglichkeit, Gleichgesinnte aus ganz Deutschland kennenzulernen, voneinander zu lernen und in den Diskurs zu treten.
Svenja Kehm: Inspiration und Ermutigung durch Austausch
"Der Promovierendenworkshop der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ zum Thema „Digitalisierung und Heterogenität“ war für mich nicht nur aufgrund des spannenden Inputs gewinnbringend, sondern auch aufgrund des Raums zum Austausch mit anderen Promovierenden. Besonders positiv war dabei die Erkenntnis, nicht „allein auf weiter Flur zu sein“, sondern zu sehen, wie viele spannende Projekte aktuell existieren, die das Thema Digitalisierung in der Lehrkräftebildung voranbringen. Durch diesen Workshop wurde ich in meiner eigenen Forschungsarbeit bestätigt und zur Weiterarbeit ermutigt. Diesbezüglich konnte ich insbesondere von den Erfahrungsberichten aus anderen Projekten profitieren und fand Inspiration für die Weiterentwicklung meines Forschungsprojekts."
Svenja Kehm ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Leipzig und promoviert im Rahmen des Verbundprojekts PraxisdigitaliS, welches durch die "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" gefördert wird. In ihrer Promotion beschäftigt Sie sich damit wie angehende Sportlehrkräfte auf einen kritisch-konstruktiven Einsatz digitaler Medien im inklusiven Sportunterricht vorbereitet werden können.
Das gemeinsame Ziel, schulischen Unterricht und Lehrkräftebildung über alle Phasen hinweg zu verbessern und zukunftsfähig zu machen, stand dabei bei allen fünf Workshops im Fokus der Beispiele und Diskussionen.
Insgesamt kamen so über 50 Promovierende aus ganz Deutschland zusammen. Nach einem einleitenden Speeddating zum gegenseitigen Kennenlernen folgte ein professoraler Impulsvortrag mit fünf Thesen zum Thema. Diese Thesen waren vorab bereits digital via conceptboard zur Kommentierung freigegeben und wurden entsprechend lebhaft diskutiert sowie mit eigenen Erkenntnissen, Fragen und Gedanken bereichert.
Ramona Böhm: Wieviel Praxis braucht das Lehramtsstudium – mit und ohne Digitalisierung?
"Diese Frage wird im Kontext der Lehrkräftebildung immer wieder gestellt. Die Meinungen über den Praxisanteil im Studium gehen weit auseinander. Vor allem Studierende wünschen sich mehr und verlängerte Praxisphasen. Im Rahmen des Promovierenden-Workshops der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ wurde die Schulpraxis im Kontext der Digitalisierung anhand mehrerer Thesen und Impulse betrachtet. Mir wurde, wie so oft bewusst, dass die Wirksamkeit von Schulpraxisphasen begrenzt ist und dass die Hinzunahme von Digitalisierung nicht zwangsläufig die Wirksamkeit erhöht. Vielmehr, so laut Gröschner, können digitale Technologien „Brückenbauer zwischen Theorie und Praxis“ werden, um eine gelingende Theorie-Praxis-Relationierung anzubahnen. Durch die Digitalisierung in der Schulpraxis ergeben sich vielfältige Möglichkeiten der universitären Begleitung von Schulpraxisphasen, indem beispielsweise Hochschullehrende digital an Unterrichtsstunden von Lehramtsstudierenden teilnehmen können. Der Workshop hat mir noch einmal neue Perspektiven eröffnet, um über die Vor- und Nachbereitung der Praxisphasen aus universitärer Sicht nachzudenken."
Ramona Böhm ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Stuttgart. In ihrer Promotion im Rahmen des Projekts „Lehrerbildung PLUS“ gefördert von der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ beschäftigt sie sich mit der Kohärenz der Praxisphasen im Lehramtsstudium in Baden-Württemberg.
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