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Schulleitung im Wandel: Anforderungen an eine ergebnisorientierte Führungskultur : Datum:

Die Bildungsdebatten und -reformen der letzten Jahre sind durch die Neuausrichtung der Schulgovernance im Hinblick auf eine ergebnisorientierte Steuerung geprägt. Das damit verbundene Bemühen um die Verbesserung der Unterrichts- und Schulqualität sind allerdings nicht Selbstzweck, sondern „Wirksamkeitstreiber“, welche u. a. die Entwicklung und Ausgestaltung von Kooperationen, den Ausbau von Schulkulturen sowie sozial geprägtes und strukturell formiertes Führungshandeln voraussetzen.

Schulleitung vor Kollegium
Die Qualität von Schulen wird in hohem Maß auch durch das Handeln der Schulleitung bestimmt. © BMBF/Alexandra Roth

Von Michael Schratz

Die Bedeutung von Schulleitung und pädagogischer Führung wurde, angetrieben durch internationale Studien, mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum erkannt: Empirische Belege aus der Schulwirksamkeitsforschung führen zu dem Schluss, dass die Qualität von Schulen indirekt in hohem Maß durch Schulleitungshandeln bestimmt wird. Gleichzeitig zählt die Schulleitung für die Verbesserung der Schülerleistungen neben Curricula und Unterricht zu den drei wichtigsten Einflussfaktoren, auf die innerhalb der Schule Einfluss genommen werden kann. Die Bedeutsamkeit der Schulleitung zeigt sich auch durch aktuellere Erkenntnisse, die nahelegen, dass eine gemeinsame Vision und abgestimmte Ziele, ein funktionstüchtiges Qualitätsmanagement für eine kontinuierliche Optimierung, die Entwicklung und Änderung von Prozessen und Aufgaben, eine evaluative Grund- und Werthaltung sowie ein hochwertiges Unterrichtsangebot in den Vordergrund der Anforderungen an eine Schulleitung rücken müssten. Die Aktualität dieses Themas wird insbesondere mit dem Blick auf die Initiativen von OECD und EU evident, wonach die Schulleitung und deren Bedeutung für die Entwicklung der Qualität von Schule und Unterricht in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus gerückt ist.

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Gute Schulen nehmen ihre Verantwortung für Kinder und Jugendliche nicht segmentär, sondern ganzheitlich wahr und sie verantworten sich aktiv gegenüber den Beteiligten und der Öffentlichkeit.

Fauser, Prenzel & Schratz, 2008

Neue Anforderungen an Schulleitungen

Das Wechselspiel aus festgelegten rechtlichen Vorgaben und der eigenverantwortlichen pädagogischen Gestaltung einer Schule stellt Schulleitungen vor komplexe, zum Teil völlig „neue“ Anforderungen. Wenn man die Vielfalt der Führungsmodelle in den unterschiedlichen Ausprägungen historischer, kultureller und politischer Entwicklungen am Beispiel ausgewählter europäischer Länder betrachtet, zeigt sich, dass es hier kein einheitliches Wirksamkeitskonzept für Führungshandeln an erfolgreichen Schulen gibt. Die Zusammenhänge von individueller Könnerschaft durch Schulleitungspersönlichkeiten und diesbezüglichen Interaktionen im situativen Kontext folgen sehr unterschiedlichen Erfolgsmustern.

Im Hinblick auf die Führungsverantwortung von Schulleitung zur Qualitätssicherung liegt eine Vielzahl an Leadership-, Management- und Administrationsaufgaben vor, die eine erfolgreiche und qualitätsvolle Handhabung durch Führungspersonen erfordern. Daher ist Personalentwicklung immer stärker zu einem Führungsinstrument geworden, vor allem, wenn es um die Implementierung „neuer“ Steuerungsansätze ging. Letztere erfordern die Umsetzung der nationalen Qualitätsrahmen sowie die Nutzung entsprechender Qualitätsrahmen für Schulentwicklung.

Ein wesentlicher Faktor als Intervention für Entwicklungen ist dabei die Nutzung der Ergebnisse von Vergleichstests, welche Schulen als Referenzwerte dienen. Eine datenbasierte Rückmeldung alleine zieht keineswegs automatisch innerschulische Veränderungsprozesse nach sich, weshalb neben der Kompetenz der Schuleiterinnen und Schulleitern im Umgang mit empirischer Evidenz auch ausgeprägte soziale Wertorientierungen und Kooperationsfähigkeiten sowie aktive Handlungskompetenzen gefordert sind.

Die Entwicklung von Schulen durch die Schulleitung benötigt eine hohe Innovationsorientierung und ein Arbeiten am System, um Qualitätsverbesserung sowie Wirksamkeit durch Veränderungsprozesse und Musterwechsel herzustellen. Dazu ist es erforderlich, dass die pädagogische Führung dialogisch und perspektivenöffnend als Gestalterin und Gestalter agiert und mit evaluativer Grundhaltung sowie lernwirksamen Interventionen Entwicklungsprozesse als Coach in Gang setzt. Die Schulleitung sollte sich als Hebel für Wandel verstehen, um das höchste zukünftige Potential durch die Einbeziehung von Werten und Sinn, aber auch Wirksamkeit und Verbesserung der Qualität durch eine korrespondierende, resonante und respektvolle Gestaltung zu erzielen. Somit erfordert eine pädagogische Führung ein Set von Gestaltungsmöglichkeiten, die sowohl die Einzelschule als auch das Schulsystem als Ganzes dabei unterstützen, sich in einem Prozess der gemeinsamen Sinngebung, eines gemeinsamen Inspirierens und eines gemeinsamen kreativen Gestaltens auf neue Möglichkeiten einzulassen.

Schulleitung als Beruf fördern

In Anbetracht der Altersverteilung von Schulleiterinnen und Schulleitern und der anstehenden Pensionierungswelle scheint es in absehbarer Zeit nicht nur an Schulleitungen, sondern auch an potentiell gewillten und geeigneten Kandidatinnen und Kandidaten zu fehlen. Um dieser Entwicklung ernsthaft zu begegnen, sollte der Ausbau offizieller Qualifizierungsprogramme zur Professionalisierung weiter vorangetrieben und die Vorbereitung auf die komplexe Aufgabenvielfalt sowie die Schaffung von Weiterbildungsmöglichkeiten im Sinne von „lifelong learning“ national intensiviert werden. Die Gestaltung einer Qualifizierung für Schulleitungen benötigt notwendigerweise Wissen darüber, wie Schulleitungen qualitätsvoll führen, was Schulleitungen wirksam macht und wohin sich eine gelingende und zukunftsorientierte Schule dialogisch entwickeln soll, um eine Antwort auf das Wozu im Sinne einer Wert- und Sinnhaltung zu ermöglichen.

Ein Zusammenschluss der Schulleitungen als Gemeinschaft bzw. Netzwerk wäre in Anbetracht der Stärkung der Schulleitung als Profession, wie auch als anerkannte Lobby zur Vertretung der Bedürfnisse und Interessen (z. B. Führungsverantwortung, Personalentwicklung u. a. m.) eine wünschenswerte Entwicklung, wie sie etwa über BELMAS (British Educational Leadership, Management & Administration Society) in England Wirksamkeit hat.

 

Prof. Dr. Michael Schratz ist Erziehungswissenschaftler und Schulpädagoge an der Leopold Franzens Universität Innsbruck sowie Mitglied des Auswahlgremiums der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB). Er ist u. a. in der Qualifizierung von Führungskräften in den Bereichen Didaktik und Curriculum, Schulmanagement, Coaching und Schulentwicklung aktiv, leitet die Leadership Academy und ist Mitglied zahlreicher internationaler bildungspolitischer Kommissionen, derzeit auch Sprecher der Jury des Deutschen Schulpreises.