Projektvorstellung: Die Lehrerbildung von morgen – wie die Universität Jena den Strategieprozess „Lehrerbildung 2030“ gestaltet : Datum:
Das Projekt „ProfJL – Professionalisierung von Anfang an im Jenaer Modell der Lehrerbildung“ arbeitet daran, die Lehrerbildung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena zu optimieren und über den Standort hinaus zu profilieren. Die Öffnung des etablierten Jenaer Modells für neue bildungspolitische Entwicklungen schuf dabei die Basis, um die Vernetzung der lehrerbildenden Akteure innerhalb und außerhalb der Hochschule zu stärken. Ein Nachhaltigkeitskonzept unterstützt diesen Prozess.
Ein Gespräch mit Iris Winkler, Bärbel Kracke, Volker Woest, Karin Kleinespel und Dana Strauß
Das Jenaer Modell der Lehrerbildung war bereits vor der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) ein Begriff. Was kennzeichnet Ihren Ansatz?
Winkler: Zum Start der 1. Förderphase 2015 konnte das Jenaer Modell der Lehrerbildung bereits auf sechs Jahre Praxissemester und auf zwölf Jahre des phasenübergreifenden Kooperationsprojekts Fortbildung Didaktik zurückblicken.
Kleinespel: Durch diese langjährigen Erfahrungen wussten wir genau, in welchen Feldern sich die Jenaer Lehrerbildung weiterentwickeln und für aktuelle bildungspolitische Ziele und professionsspezifische Anforderungen öffnen sollte.
Winkler: Diese Bemühungen kristallisierten sich schließlich im übergeordneten Ziel der 1. Förderphase: „Stärkung einer reflexiven Lehrerbildungskultur von Anfang an“. Inhaltlich ging es um die Profilierung der Lehrerbildung durch die Betonung von Reflexivität und die Verknüpfung von Wissen und Können im Professionalisierungsprozess.
Kleinespel: Die Vorhaben formierten sich zu drei Säulen. In der ersten Säule „Grenzüberschreitende Lernumgebungen“ entstanden fächerübergreifende Studienangebote für den naturwissenschaftlichen Unterricht, fachwissenschaftlich-fachdidaktische Kooperationsseminare, ein reformiertes bildungswissenschaftliches Prüfungsformat sowie ein phasenübergreifendes Curriculum zur Unterrichtsvorbereitung, -durchführung und -reflexion für Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner. In der Säule „Internationalisierung“ wurden interkulturelle Professionalisierungsprozesse gefördert. Die Säule „Inklusion/Heterogenität“ bearbeitete die pädagogische Herausforderung gesellschaftlicher Differenzierung mit Konzepten gemeinsamen Lernens und der Inklusion an Schulen und entwickelte mathematikdidaktische Studienelemente.
ProfJL wird ab 2019 auch in der zweiten Runde der QLB gefördert. Welche Ziele verfolgen Sie in der zweiten Förderphase?
Kracke: Die zweite Förderphase von ProfJL wollen wir nutzen, um die Lehrerbildung in Jena als eine verantwortungsvolle Kooperationsaufgabe weiter zu entwickeln. Dazu haben wir uns ein Leitmotiv gewählt: „Vernetzt. Verantwortlich. Forschungsbasiert.“ Der Kooperationsgedanke hat Neuerungen im Projektdesign und einen Wandel bei den Projektverantwortlichkeiten möglich gemacht. So wird in der 2. Förderphase die transdisziplinäre Zusammenarbeit enorm verstärkt, etwa indem Inklusion in alle Teilvorhaben integriert wird. Außerdem setzen sich sowohl das Sprecherteam des Gesamtprojekts als auch die Teilprojektleitungen aus je einer Vertreterin und einem Vertreter der Fachdidaktik sowie der Erziehungswissenschaften zusammen.
Strauß: Inhaltlich entwickelt PROFJL² Erfolgreiches aus der 1. Förderphase weiter, etwa das Forschungs- und Doktorandenkolleg „Bildung. Forschung. Dialog.“ mit dem Nachwuchsförderungsnetzwerk „NeLe“ oder das Teilprojekt „Ausbildung der Ausbilder“, das alle drei Phasen der Lehrerbildung systematisch verknüpft. Gleichzeitig erweitert PROFJL² sein Profil, z. B. durch die wichtige Einbindung von Demokratiebildung in das Ausbildungscurriculum durch das Teilprojekt „Lehrkräfte als Agenten der Demokratie“ oder das fächerübergreifende Arbeiten im „Learning to Teach-Lab: Science – LTL:S“.
Woest: Als zentral sehen wir die Sicherung der Implementation und die Wirksamkeit der Projektergebnisse nach 2023 an. Diese werden wir durch ein Nachhaltigkeitskonzept stützen. Im Zuge dieses Vorhabens wurde der Strategieentwicklungsprozess „Lehrerbildung 2030“ als Teil einer gesamtuniversitären Strategieentwicklung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena initiiert.
Welche Ansätze verfolgen Sie mit dieser Strategieentwicklung?
Winkler: Die QLB hat in den letzten drei Jahren viel in Bewegung gesetzt. Sie hat u. a. dazu beigetragen, dass sich die im Projekt und im Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung beteiligten Akteurinnen und Akteure der Lehrerbildung intensiver miteinander über Ziele der Lehrerbildung auseinandersetzen. Dabei wurden Fragen nach geeigneten Strukturen und Strategien für die Erreichung dieser Ziele aufgeworfen, die über das Projekt hinaus im universitätsweiten Strategieprozess „Lehrerbildung 2030“ geklärt werden sollen. Ebenso wie PROFJL² steht der Strategieprozess unter dem Motto „Vernetzt. Verantwortlich. Forschungsbasiert“. Leitgedanke dabei ist, Lehrerbildung als eine bedeutsame gesellschaftliche Aufgabe hervorzuheben. Eine Plattform dafür stand uns dieses Jahr beim „Tag der Forschung" der FSU zur Verfügung, bei dem die Lehrerbildungs- und Didaktikforschung erstmals im Fokus stand. Mit dem Strategieprozess wird ein weiteres Kapitel wegweisender Konzepte für die Lehrerbildung an der FSU aufgeschlagen.
Kracke: Im Rahmen des Strategieprozesses geht es darum, alle lehrerbildenden Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen, um umfassender und systematischer über Zielsetzungen und Strategien der Lehrerbildung der Zukunft zu diskutieren. Es wurden bereits zentrale Themen identifiziert, die im kommenden Jahr in Arbeitsgruppen bearbeitet werden.
Winkler: Wichtig ist auch, den Diskussionsprozess über den Kreis der für die Lehrerbildung Verantwortlichen hinaus zu erweitern. So wurden Schwerpunkte und Perspektiven für die Jenaer Lehrerbildung im Sommersemester 2018 im Universitätsrat vorgestellt und beraten. Akteure aus der Lehrerbildung sind ebenfalls in den universitätsweiten Austausch im Kontext der Antragstellung in der Exzellenzstrategie eingebunden. Die Strategieentwicklung in der Lehrerbildung ist somit eingebettet in die Debatten um die strategische Entwicklung der Universität insgesamt. Das verdeutlicht, dass das Präsidium Lehrerbildung als wichtigen Bereich der Universität stets mitdenkt.
Zusammenfassend aus Ihren Erfahrungen: Wie kann die Profilierung der Lehrerbildung an Hochschulen gelingen?
Winkler: Es ist wichtig, dass die Akteure der Lehrerbildung vor Ort einen engagierten internen Dialog über gemeinsame Ziele und nötige Schritte führen. Unterschiedliche Perspektiven können da durchaus anregend sein. In die Hochschulöffentlichkeit hinein sollten dann aber sehr klar gemeinsame Positionen vertreten werden. Wenn die Lehrerbildung in zentralen Gremien – z. B. im Senat oder in der Hochschulleitung – vertreten ist, hilft das bei der Profilierung.
Woest: Ein vielversprechender Weg der Profilierung ist die intensive Kooperation von Fach, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften, sowohl in Ausbildungscurriculum der Hochschule als auch in der Fort- und Weiterbildung. Werden die Aktivitäten unter einem gemeinsamen Leitbild geführt, befördert dies die fakultäts- und phasenübergreifende Identifikation als Lehrerbildnerinnen und Lehrerbildner und erhöht so die Sichtbarkeit innerhalb der Hochschule und nach außen.
Kracke: Die Qualitätsoffensive hat gezeigt, dass es Anlässe braucht für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Lehrerbildung. An der FSU hatten wir bereits vorher einige Anläufe für gemeinsame Projekte genommen, waren aber dann zu sehr mit der Forschung und Entwicklung im eigenen Fach beschäftigt. Die Projektförderung hat uns Zeit verschafft für den interdisziplinären Austausch und Anerkennung wegen der eingeworbenen Drittmittel.
Kleinespel: Gerade in einer Zeit, in der der Lehrkräftemangel – nicht nur in den östlichen Bundesländern – droht, in den Schulen selbst zu einem massiven Qualitätsverlust zu führen, ist es wichtig, in den Universitäten Strategien zu entwickeln, die die professionelle Qualität der Lehrkräftebildung sichern. Das setzt sowohl eine solide fachliche als auch demokratietheoretische Profilierung der Lehrkräftebildung – so wie sie in PROFJL² entworfen ist – voraus.
Strauß: Und nicht zuletzt ist es wichtig, dass die Forschung in der Lehrerbildung, die im Rahmen der QLB und darüber hinaus betrieben wird, erstklassig ist und bleibt und als solche auch sichtbar wird.
Im Gespräch: Prof. Dr. Iris Winkler, Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der FSU Jena und Projektleiterin ProfJL, Prof. Dr. Bärbel Kracke, Lehrstuhlinhaberin Pädagogische Psychologie an der FSU Jena und Projektsprecherin PROFJL², Prof. Dr. Volker Woest, Leiter der Arbeitsgruppe Chemiedidaktik an der FSU Jena und Projektsprecher PROFJL², PD Dr. Karin Kleinespel, Wissenschaftliche Geschäftsführerin des ZLB an der FSU Jena und Dr. Dana Strauß, Projektkoordinatorin PROFJL².