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Projektvorstellung: Didaktische Labore – Wie die Universität Passau der Fragmentierung im Lehramtsstudium entgegenwirkt : Datum:

An der Universität Passau wurde im Rahmen des Projekts SKILL ein Didaktisches Labor als "Klassenzimmer der Zukunft" etabliert. Es bietet Raum zur Erprobung innovativer Lehr-Lernformate und hochschuldidaktischer Angebote und ist zugleich Identifikationsort in der Lehrkräftebildung. Verena Köstler stellt sich der Frage, wie Didaktische Labore zur Vernetzung von Theorie und Praxis im Lehramtsstudium und damit zur Qualitätsentwicklung und Sichtbarmachung der lehrerbildungsbezogenen Lehre beitragen.

Lehrer und Schüler sammeln Ideen auf einem Whiteboard
DiLab – Vielseitige Nutzung für kreative Lehrende und Lernende © Universität Passau

Warum ist es gerade in der Lehrkräftebildung wichtig, über die Grenzen der einzelnen Bezugsdisziplinen hinweg zu denken und zu agieren?

Köstler: Typischerweise finden wir im Lehramtsstudium viele oft unabhängig voneinander unterrichtete Disziplinen und Fächer: Dies sind je nach Schulform die Fachwissenschaften für Unterrichtsfächer wie Deutsch, Musik, Mathematik, Sport etc. und ihre dazugehörigen Fachdidaktiken sowie die Psychologie und die Erziehungswissenschaft. Dadurch entsteht auf Seiten der Lehramtsstudierenden die Notwendigkeit, die Bezüge zwischen disziplinären und fachlichen Perspektiven herzustellen, um daraus professionelle Handlungskompetenzen aufzubauen, die sie später als Lehrkräfte benötigen.

Viele Hochschuldozierende in der Lehrkräftebildung sind sich dabei häufig möglicher negativer wie auch positiver Konsequenzen ihrer Lehre für den Professionalisierungsprozess von Lehramtsstudierenden nicht voll bewusst: Die erlebte Kontinuität von Lernerfahrungen aus der eigenen Schulzeit und universitären Lehre führt zur Entwicklung äußerst stabiler, durch subjektive Erfahrungen geprägter Überzeugungen und Einstellungen über Lehren und Lernen der zukünftigen Lehrkräfte. Wie also dem Anspruch eines schülerorientierten, evidenzbasierten Unterrichts gerecht werden, wenn die eigenen institutionellen Lernerfahrungen dazu in Diskrepanz stehen?

Wie kann ein Didaktisches Labor zur Vernetzung verschiedener Fach- und Wissensbereiche im Lehramtsstudium beitragen?

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"Es sollte mehr DiLabs geben! Allein der Raum als solches ist ein Erlebnis, es macht einfach Spaß, dort Seminare zu halten."

Beitrag aus der DiLab-Evaluation von Dozierenden

Köstler: Das Didaktische Labor (DiLab) wurde im Projekt SKILL als "Klassenzimmer der Zukunft" eingerichtet. Dieser Beiname soll erstens auf das innovative Unterrichts-Raumkonzept verweisen, das sich beispielsweise durch die Abkehr von frontaler Ausrichtung sowie durch eine moderne Medienausstattung auszeichnet und den Studierenden schulpraktische Erfahrungen ermöglicht. Zweitens verweist das "Klassenzimmer der Zukunft" vor allem auf das Ziel, evidenzbasierte pädagogische Handlungskonzepte für schulische und hochschulische Lehre der Zukunft zu entwickeln. Dabei werden ganz klar Konzepte abgelehnt, die Novizen vorgaukeln, sie müssten nur Musterstrategien erlernen und trainieren, um gut für die Praxis gerüstet zu sein. Aktuelle Befunde zeigen, dass ein bloßes Mehr an Praxis nicht unbedingt zu einem Mehr an Handlungsfähigkeit führt. In interdisziplinären Modellseminaren werden deshalb im DiLab Möglichkeiten geboten, Praxiserfahrungen schrittweise und in komplexitätsreduzierender Form zu erfahren, um kritische Distanz zu ermöglichen und die Praxis evidenzbasiert zu analysieren. Darüber hinaus dient das DiLab als Raum für kollegialen Austausch und hochschuldidaktische Unterstützung von Hochschuldozierenden aller Disziplinen im Lehramtsstudium.

Neben dem Klassenzimmer wird das Konzept derzeit um ein "Lehrerzimmer der Zukunft" erweitert. Es soll Annäherungen an die Praxis ermöglichen, indem es in auch Modellseminaren auf Kollaboration bei der Planung und Reflexion von Unterricht vorbereitet.

Welche Ziele werden in und mit Modellseminaren für Lehramtsstudierende verfolgt?

Köstler: Die beteiligten Disziplinen und Fächer bieten in Kooperationsformen Seminare, in denen eine Vernetzung von Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaften im Fokus steht. Hierdurch werden curriculare Zusammenhänge zwischen den Studienanteilen im Lehramt aufgezeigt und somit auch die damit verbundene Relevanz der Studieninhalte für die spätere Profession als Lehrkraft verdeutlicht. In den Modellseminaren können Lehramtsstudierende alternative Handlungsoptionen entwickeln sowie berufstypische Deutungen von Praxis erarbeiten und diskutieren. Der Komplexitätsgrad steigt dabei idealerweise im Studium an: Von einfachen handlungsdruckentlastenden Übungen bis zur selbstständigen Durchführung einer Unterrichtsstunde erwerben Lehramtsstudierende schrittweise Handlungskompetenzen.

Das übergreifende Ziel ist es dabei, einen Innovationskreislauf anzustoßen, der auch in nicht-projektbeteiligte Fachbereiche und Fachverbünde in der Lehrkräftebildung hineinwirkt und dort Formate anstößt, die dosierte Praxiserfahrungen beinhalten und die Disziplinen und Fächer in der Lehrkräftebildung miteinander vernetzen. Hier werden idealerweise auch die fachwissenschaftlichen Disziplinen stark mit einbezogen.

Unsere Evaluationen zeigen bisher, dass insbesondere die Lehrenden in den Fachwissenschaften noch signifikant seltener die Bedeutung ihrer Inhalte für den Lehrberuf aufzeigen. Die Fachwissenschaften hätten hier also die Chance, von Lehramtsstudierenden als weitaus wesentlicher für ihre spätere Professionstätigkeit wahrgenommen zu werden als bisher.

Welchen Mehrwert hat die Arbeit für Studierende und Lehrende?

Köstler: Mit dem DiLab finden Studierende und Lehrende nicht nur einen modern ausgestatteten Seminarraum vor, der sich insbesondere für den Einbezug von und die Reflexion über digitale Medien im Bildungskontext sowie die Gestaltung individualisierender und kooperativer Lerngelegenheiten eignet. Unsere Evaluationen haben gezeigt, dass die Relevanz der Kursinhalte für die schulische Praxis in den Modellseminaren des Projekts für die Studierenden sehr viel deutlicher hervortritt als in regulären Veranstaltungen.

Die neu eingerichtete Abteilung Didaktische Innovation am Zentrum für Lehrerbildung und Fachdidaktik (ZLF) der Universität Passau gewährleistet darüber hinaus eine von Projektförderungen unabhängige Unterstützung von Studierenden und Lehrenden bei der Nutzung des Labors – beispielsweise für Lehrveranstaltungen oder Forschungsprojekte, bei der Weiterentwicklung hochschuldidaktischer Kompetenzen in der Lehrkräftebildung zu Fragen der Digitalisierung, Individualisierung, Diagnostik sowie auch der Weiterentwicklung von auf die Lehrerinnen- und Lehrerbildung bezogenen Konzepte wie der Verschränkung mit Praxisphasen im Lehramtsstudium.

Wie können andere Hochschulen von diesen Erfahrungen profitieren?

Köstler: Für viele Modellseminare wurden Seminardokumentationen erstellt, die schrittweise auf dem DiLab-Blog veröffentlicht werden. Diese stehen Interessierten als Ideenpool und Hilfestellung bei der Umsetzung der Konzepte zur Verfügung. Aus unserer Sicht sind diese Konzepte der Modellseminare gut auf andere Disziplinen, Fächer und Standorte übertragbar und dort je nach Standortressourcen nur noch anzupassen.

Die Einrichtung und derzeit auch Erweiterung der Infrastruktur des DiLab erfordert eine enge Zusammenarbeit mit vielen Akteurinnen und Akteuren wissenschaftlicher und wissenschaftsunterstützender Bereiche innerhalb der Universität. Dabei konnten wir eine Menge Expertise aufbauen und stehen für andere Hochschulen, die Strukturen und Prozesse rund um ein Lehr-Lern-Labor etablieren möchten, als Austauschpartner zur Verfügung.

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"Neben einem Verständnis informationswissenschaftlicher Grundlagen sollen die künftigen Lehrkräfte als aktive Prosumentinnen und Prosumenten an der modernen Medienkultur partizipieren können, damit in Zukunft Menschen Informationen und Medien hinterfragend und denkend mitgestalten und nicht Medien manipulativ das Denken der Menschen gestalten."

Prof. Dr. Jan-Oliver Decker, Teilvorhaben IML-Basic

Welche Ziele haben Sie für die zweite Förderphase der Qualitätsoffensive Lehrerbildung?

Köstler: Die zweite Förderphase steht nun mit SKILL.de ganz im Zeichen des Digital Turn im Bildungsbereich. Bereits in der ersten Förderphase wurde beispielsweise ein Zertifikatsprogramm zur Information and Media Literacy (IML) entwickelt, in dem Lehramtsstudierende im kritisch-reflexiven Umgang mit medial vermittelten Informationen geschult werden. Es dient der Reflexion technologischer, medialer und soziokultureller Grundlagen medialen Wissens und schult nicht zuletzt die Fähigkeiten, in medialen Umgebungen selbstständig Wissen zu generieren und Informationen zu gestalten. Mittelfristig sollen Lehramtsstudierende – unabhängig von Schulart und Schulfach – Qualifikationen in digital gestütztem Unterricht und kritischer Medienreflexions-, -produktions- und -nutzungskompetenz erwerben. Eine Vielzahl beteiligter Disziplinen und Fächer konzipieren dazu Lehrangebote und Bausteine für den Schulunterricht, zur Information and Media Literacy sowie zur integrativen Vermittlung fachlicher und medienbezogener Kompetenzen. Zudem wird erprobt, wie Lehrkollegien beim Aufbau digitalisierungsbezogener unterrichtlicher Kompetenzen durch im Projekt generierte Unterrichtsbausteine unterstützt werden können.

Flankierend zu den Lehrangeboten stellt ein hochschuldidaktisches Qualifizierungsprogramm Kompetenzen in digital unterstützter Hochschullehre und Kenntnisse in der Prozessevaluation auf Seiten der Hochschuldozierenden sicher, sodass Effekte der neuen Lehrangebote auf den Kompetenzerwerb der Lehramtsstudierenden evidenzbasiert diagnostiziert werden können.


Dr. Verena Köstler ist Akademische Beamtin am Zentrum für Lehrerbildung und Fachdidaktik (ZLF) der Universität Passau und Teil der darin neu gegründeten Abteilung Didaktische Innovation. Dort leitet sie das Ressort für evidenzbasierte Konzeptentwicklung.