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#BO2teach: Berufliche Orientierung lehren und lernen, zu lehren: Digitalgestützte Professionalisierung von Lehrpersonen : Datum:

Große gesellschaftliche Herausforderungen erfordern ein Umdenken in der schulischen Berufsorientierung. Es kommt nicht darauf an, viele Berufsmöglichkeiten zu kennen, sondern die Vermittlung von 21st Century Skills gewinnt an Relevanz. Wie kann eine derartig zukunftsfähige Berufsorientierung in Schulen vermittelt werden? Das digitale Seminar #BO2teach an der Universität Trier bietet hier einen möglichen Lösungsansatz und eine digitale Professionalisierungsmöglichkeit für Lehramtsstudierende.

Einige Studierende sitzen an einem Tisch vor ihren aufgestellten Tablets und unterhalten sich.
Die curriculare Verankerung von Professionalisierungsmaßnahmen wird an der Universität Trier in einem digitalen Seminar zum Thema „Berufliche Orientierung“ umgesetzt. © BMBF/Michael Kowalczyk

Von Annina Mohr

Megatrends des 21. Jahrhunderts dominieren sämtliche gesellschaftliche Bereiche und ganz besonders die heutige Arbeitswelt. Globalisierung, demographischer Wandel, Digitalisierung und Migration seien nur einige prägnante Stichworte an dieser Stelle. Und erst in jüngster Vergangenheit hat die Covid-19-Pandemie gezeigt, welch rasanten Dynamiken der Arbeitsalltag und die Arbeitsprozesse ausgesetzt sind. Erwerbsbiographien verlaufen immer diskontinuierlicher und der Traumberuf für‘s Leben scheint zu schwinden. Wollen wir die Schülerinnen und Schüler auf diese Arbeitswelt von Morgen angemessen vorbereiten, gewinnen die viel zitierten 21st Century Skills und die Forderung nach Lebenslangem Lernen immer mehr an Relevanz. Auf diese Herausforderungen muss auch die schulische Berufsorientierung reagieren. Voraussetzung hierfür sind vielfältige bildungspolitische Maßnahmen, wie beispielsweise die Förderung der Lehrerbildung im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“, damit Lehrpersonen angemessen auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen, wie die schulische Berufsorientierung, reagieren und diese aktiv gestalten können.

Ökonomisierung des Lernens oder Förderung einer berufsbiographischen Gestaltungskompetenz?

Während einerseits immer wieder postuliert wird, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssten sich stetig weiterentwickeln, um somit den Maximen des Lebenslangen Lernens Folge zu leisten, um den schnellen Entwicklungen überhaupt noch gerecht werden zu können und somit die Passungsprobleme zu minimieren, lassen sich andererseits vereinzelt jedoch auch kritische Stimmen bezüglich einer derartigen ökonomisierten Perspektive vernehmen. Eine zukunftsfähige Berufsorientierung fördere Kompetenzen, die junge Erwachsene befähige, ihr berufliches Umfeld zu gestalten. So sei an dieser Stelle Krautz zitiert:

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Der Mensch ist frei und darf von niemandem zu irgendwas gemacht oder gebraucht werden. Er wird nicht gebildet und erzogen für den Staat, für die Wirtschaft oder Kirche – sondern nur um seiner selbst willen.
(Krautz 2007, S. 14)

Voraussetzung für eine gelungene schulische Berufsorientierung, mittels dieser Schülerinnen und Schüler eine berufsbiographische Gestaltungskompetenz erlangen, sind professionelle Lehrpersonen. Hierzu ist die curriculare Verankerung von Professionalisierungsmaßnahmen in allen drei Phasen der Lehrerbildung notwendig.

#BO2teach: Das allgemeine Seminarkonzept

Um auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen wie die Digitalisierung zu reagieren, und da es aktuell an einer obligatorischen Verankerung von Beruflicher Orientierung in der ersten Phase der Lehrkräftebildung für alle Lehramtsstudierenden an rheinland-pfälzischen Universitäten mangelt, wurde an der Universität Trier im Rahmen des durch die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ vom BMBF geförderten Projektes „TrigitalPro“ das digitale Zusatzzertifikat „Digital Lehren und Lernen“ konzipiert. Innerhalb dessen wird unter anderem in einem Seminar das Thema Berufliche Orientierung fokussiert. Mittels dieses Zertifikats werden digitalisierungsbezogene Kompetenzen von Lehramtsstudierenden aller Fächer und Schulformen in schulischen Querschnittsthemen gefördert. Das Seminar #BO2teach wurde auf Basis bereits wissenschaftlich eruierter Kompetenzmodelle und Anforderungsprofile konzipiert. Digitale Selbstlernphasen, die innerhalb eines Lernmanagementsystems verankert sind, werden gerahmt durch digitale, synchrone Auftakt- und Abschlussveranstaltungen. Das digitale Format, das sich durch eine größtmögliche zeitliche sowie örtliche Flexibilität auszeichnet, soll die intrinsische Motivation der Studierenden fördern. Die digitalen Selbstlerneinheiten werden durch einen kontinuierlichen Austausch in diversen Diskussions- und Chatforen begleitet. Auf diese Weise besteht die Möglichkeit kollaborativer Zusammenarbeit. Ferner wird die individuelle Professionalisierung mittels eines E-Portfolios begleitet. Auf diese Weise findet eine regelmäßige und intensive Reflexion mit der eigenen professionellen Entwicklung statt.

Grafische Darstellung des Seminarkonzeptes #BO2teach -Seminarziele
Darstellung des Seminarkonzeptes #BO2teach -Seminarziele © Annina Mohr

#BO2teach: Berufsorientierung lehren und lernen, zu lehren

Das übergeordnete Seminarziel ist zunächst die Vermittlung eines weiten Verständnisses von Berufsorientierung. In diesem Sinne bedeutet Berufsorientierung mehr als Berufskunde. Die schulische Berufsorientierung sollte Schülerinnen und Schüler darauf vorbereiten, aktiv und selbstständig ihre eigene Berufsbiographie gestalten zu können. Entsprechend ist es von besonderer Relevanz, 21st Century Skills, wie kritisches Denken, Kreativität oder Kommunikation, zu vermitteln. Dies kann jede Lehrperson in ihrem eigenen Fachunterricht umsetzen. Daher verfolgt das digitale Seminar #BO2teach als weiteres Ziel, dass die Lehramtsstudierenden Konzepte entwickeln, Berufsorientierung in ihren eigenen Fächern zu integrieren.

Hierzu setzen sich die Studierenden zunächst intensiv mit theoretischen Aspekten auseinander. Wie werden Berufswahlentscheidungen getroffen? Welche Einflüsse spielen für die Berufswahl eine Rolle? Wie entwickelt sich der aktuelle Arbeits- und Ausbildungsmarkt? Wie kann Berufsorientierung individuell und gendersensibel gestaltet werden? Welche digitalen Möglichkeiten existieren zur Vermittlung Beruflicher Orientierung? Die Studierenden problematisieren Aufgaben und Bedeutung der Schule im Berufswahlprozess und verstehen Berufsorientierung als Teil des Bildungsauftrages aller allgemeinbildender Schulen. Gleichzeitig reflektieren sie aber auch ihre individuellen Möglichkeiten sowie ihre Grenzen. Hier sind Kooperationen relevant. Hierzu wurde der Podcast #BO2teach, der auf Spotify frei zugänglich ist, aufgezeichnet. In diesem Podcast folgt auf jede Theoriefolge eine praktische Folge, in der unterschiedliche Kooperationspartner im Kontext Beruflicher Orientierung zu Wort kommen. Beispielsweise setzen sich die Studierenden in einer theoretischen Folge mit Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen auseinander. In der darauffolgenden Folge erläutern und diskutieren drei Gäste von der Industrie- und Handelskammer Trier ihre Perspektive auf Berufsorientierung und Kooperationen zwischen Schulen und Unternehmen.

Diese theoretischen Aspekte rahmen den Kern des Seminars, der aus einer Konzeption einer berufsorientierenden Lerngelegenheit für das eigene Fach besteht. Ausgehend vom schulspezifischen Schwerpunkt und den Fachcurricula thematisieren die Studierenden die Bedeutung ihres spezifischen Faches für die Berufsorientierung und planen konkrete Lerngelegenheiten beziehungsweise Unterrichtseinheiten, die in den normalen Unterrichtsablauf integriert werden können. Auf diese Weise kann das häufig angeführte Argument der mangelnden zeitlichen Ressource für die Vernachlässigung von Berufsorientierung entkräftet werden.

Das Seminar #BO2teach als Forschungsgegenstand

Ferner wird das Seminar #BO2teach wissenschaftlich begleitet, indem in einer qualitativen Längsschnittstudie mittels Interviews nach Motiven zur intrinsischen Auseinandersetzung von Studierenden mit Berufsorientierung und die Entwicklung der eigentheoretischen Vorstellungen im Kontext Beruflicher Orientierung rekonstruiert werden.

Das Zertifikat wie auch das darin implementierte Seminar #BO2teach trägt in zweierlei Hinsicht zur "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" bei. Einerseits werden angehende Lehrerinnen und Lehrer mittels einer individuellen Professionalisierungsmöglichkeit in Bezug auf digitalisierungsbezogene Kompetenzen in dem schulischen Querschnittsthema Berufsorientierung gefördert. Andererseits trägt diese Maßnahme konkret zur Schul- und Unterrichtsentwicklung bei, indem die Lehramtsstudierenden als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren innovative Konzepte für eine zukunftsfähige Berufsorientierung erarbeiten und in Schulen tragen.



Annina Mohr, M.Ed., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem vom BMBF geförderten Projekt "TrigitalPro" an der Universität Trier. Sie promoviert in der Didaktik der deutschen Sprache mit den Schwerpunkten Lehrerprofessionalisierung und Berufliche Orientierung.