Die Bedeutung der hochschulischen Lehrkräftebildung : Datum:
Lehrkräftebildung ist an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen verortet. Kooperationen mit den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften ergänzen und verstärken das Arbeitsfeld. Studienangebote sind länderbezogen reglementiert. Hochschulen und Bildungsverwaltung müssen enger miteinander kooperieren, um die Wissenschafts- und Forschungsorientierung, die Professionsentwicklung und die Qualität des Lehramtsstudiums sowie seine Öffnung für neue Zielgruppen beschleunigt voranzutreiben.
Von Ulrich Bartosch
Lehrerinnen und Lehrer sind zentrale Akteure in unserer Wissensgesellschaft. Sie können und müssen Schlüsselpersonen in den individuellen Bildungsbiographien jeder nachfolgenden Generation sein. Wir müssen für ihre bestmögliche Ausbildung, hervorragende Arbeitsbedingungen und ausreichende Rekrutierung sorgen.
Lehrkräftebildung ist eine zentrale Aufgabe der Universitäten
Lehrkräftebildung ist an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen (PH) verortet. Sie sind für die wissenschaftliche und forschungsorientierte Bildung der Lehrkräfte verantwortlich. Sie vermitteln ihnen fachwissenschaftliche, fachdidaktische und erziehungswissenschaftliche sowie persönlichkeitsbildende Kompetenzen, Kenntnisse und Fähigkeiten. Insbesondere Ergebnisse der empirischen Bildungsforschung sind maßgeblich für die Weiterentwicklung von Standards zur Studiengestaltung und zur Qualitätssicherung des Studiums. An den meisten Standorten wurden universitäre Zentren für Lehrkräftebildung errichtet, die eine wissenschaftliche Befassung mit den Fragen der Schulentwicklung, des Lernens und Lehrens und der jugendlichen Lebenswelt sowie mit bildungsökonomischen und -rechtlichen Themen garantieren. Geprägt wird die Lehrkräftebildung durch die Verknüpfung von erster, zweiter und dritter Phase: Lernorte Universität/PH und Schule, Studium im Verbund, Vorbereitungsdienst, Fort- und Weiterbildung im Bildungsverlauf. Dieser kontinuierliche berufsbiographische Prozess muss eine zeitnahe Implementierung zukunftsrelevanter Themen gewährleisten wie Digitalisierung, Internationalisierung, Diversität, Inklusion und Bildung für Nachhaltige Entwicklung. Dies geschieht in der Ausbildung von Lehrpersonen und muss im Verlaufe der aktiven Dienstzeit kontinuierlich weitergeführt werden. Tatsächlich erfüllt die Lehrkräftebildung deshalb die „Third Mission“ der Hochschulen in besonderem Maße und muss eng mit Gesellschaft, Kommunen und Wirtschaft verflochten sein.
Die Lehrkräftebildung an Universitäten/PH wird durch schulform-, schulstufen- oder fachbezogene Kooperationen mit den Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW)/FH gezielt ergänzt. Insbesondere in gewerblich-technischen Fachrichtungen der Lehramtsausbildung an Berufsschulen ergeben sich wichtige Chancen der Zusammenarbeit. Im Rahmen solcher Kooperationen ist es Studierenden zum Beispiel möglich, nach einem polyvalenten Bachelor in Ingenieurwesen von einer HAW in einen „Master of Education“ an der kooperierenden Universität zu wechseln.
Lehrkräftebildung ist staatlich reglementiert
Die Lehrkräftebildung ist auf der Ebene und in Zuständigkeit der Bundesländer sehr stark staatlich reguliert und gehört zu den umfassend reglementierten Studienangeboten an den Universitäten/PH. Die Steuerung durch die Kultusministerkonferenz (KMK) und die Landesministerien setzt durch die vorgegebenen Bildungsstandards in den Unterrichtsfächern enge Rahmen für das professionelle Handeln der Lehrkräfte zwischen pädagogischer (Teil)Autonomie und staatlichem Erziehungs- und (Aus)Bildungsauftrag. Die staatliche Einflussnahme berührt das gesamte Professionsverständnis. Die Anforderungen an die erste und zweite Phase der Lehrkräftebildung werden länderübergreifend durch die KMK beziehungsweise landesspezifisch durch die Lehrkräftebildungsgesetze festgeschrieben. Für die erste Phase liegt es zwar in der Autonomie der Hochschulen, die Standards für die Studieninhalte eigenständig umzusetzen, aber die staatliche Steuerung reicht von den Studieninhalten bis zu den -strukturen.
Die länderbezogene Regulierung des Schulwesens und die darauf ausgerichtete Lehrkräftebildung werden immer wieder als spezifische Eigenart des bundesdeutschen Bildungswesens kritisiert. Positiv gesprochen liegen darin die Möglichkeiten zur Entwicklung unterschiedlicher guter Gestaltungsvarianten begründet. Es gibt Raum für innovative Erprobung neuer Wege. Daraus erwachsen allerdings die anspruchsvolle Aufgabe und die Verpflichtung, ein einheitliches Verständnis in der Vielfalt zu behalten und stets zeitgemäß zu realisieren.
Eine Zukunft für die Lehrkräftebildung
Die Lehrkräftebildung steht unter hohem Innovationsdruck. Sie braucht Zukunft im Sinne von ausreichender Ressourcenzuweisung und der Orientierung auf erwartbare Herausforderungen des Berufs. Um diese Zukunft zu schaffen, müssen Hochschulen und Bildungsverwaltung engstens miteinander kooperieren. Als Folge deutlich rückläufiger Zahlen an Studienanfängerinnen und -anfängern in Lehramtsstudiengängen und dem gleichzeitigen akuten Lehrkräftebedarf in einigen Fächern sind sich die Länder in der KMK in der Schaffung besserer Rahmenbedingungen weitgehend einig. Mehrere Positionspapiere aus dem Hochschulbereich heben übereinstimmend die Wissenschafts- und Forschungsorientierung, die Professionsentwicklung und die Qualität des Lehramtsstudiums sowie seine Öffnung für neue Zielgruppen hervor. Sie empfehlen, dass die Verfügbarkeit von ausreichend qualifizierten Absolventinnen und Absolventen durch eine breitere Grundlage für den Zugang zum Lehrberuf ermöglicht werden sollte und schließen die verstärkte hochschulische Qualifizierung von Berufspraktikern und Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern über den Quer- und Seiteneinstieg in den Schuldienst mit ein, wie dies die Hochschulrektorenkonferenz explizit seit 2020 einfordert.
Mit der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ schreiben die Hochschulen eine Erfolgsgeschichte: Das Bund-Länder-Programm hat die Lehrkräftebildung sichtbar in den Vordergrund gerückt und den Transfer von Innovationen in die Schulen modellhaft ermöglicht. Durch die Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Ressourcen hat das Programm dazu beitragen, die nötige Infrastruktur für die Lehrkräftebildung an den Hochschulen zu stärken, wodurch die Qualität der Ausbildung weiter verbessert wurde. Ein Wegfall des Programms gefährdet die Nachhaltigkeit dieser Strukturen. Seine Fortsetzung, wie im Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgehalten, muss als Chance genutzt werden, die Förderbedarfe und -logiken gemeinsam mit den Hochschulen weiterzuentwickeln.
Prof. Dr. Ulrich Bartosch ist seit 2020 Präsident der Universität Passau und seit letztem Jahr zusätzlich Vizepräsident für Lehre, Studium und Lehrkräftebildung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK). Seit 2000 ist er Professor für Pädagogik an der Fakultät für Soziale Arbeit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt (beurlaubt). Er war langjähriger Vorsitzender des deutschen Fachbereichstags Soziale Arbeit sowie Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler. Unter anderem war er federführend an der Neufassung des Deutschen Hochschulqualifikationsrahmens (HQR) beteiligt und Mitglied im Team der Bologna-Experten von DAAD und HRK.