Kommentar: Was erwartet die erste Phase der Lehrkräftebildung von der zweiten und umgekehrt? : Datum:
Zu den zentralen Zielen der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" (QLB) gehört die Stärkung der phasenübergreifenden Kooperation. Die Zweiphasigkeit der Ausbildung ist ein deutsches Spezifikum und bietet Chancen und Herausforderungen zugleich. Auch Dank der QLB wissen wir deutlich mehr darüber, was die Phasen voneinander erwarten und wie Synergie-Effekte phasenübergreifend nutzbar sind. Gegen Ende der Förderung, auf das wir uns mit immer schnelleren Schritten zubewegen, heißt es jedoch – jetzt und für die Zukunft: am Ball bleiben.
Ein Kommentar von Sabine Oda Doff
Hintergrund: 1 und 2 … nicht ohne 3
Wer Lehrkräftebildung phasenübergreifend denkt, nimmt sinnvollerweise neben der ersten und zweiten die dritte Phase an Bord. Es ist der mit Abstand längste Abschnitt jeder Lehrer-(Berufs-)Biographie, wenngleich der im Fachdiskurs bisher am wenigsten beachtete. Er bietet aber Synergie-Potentiale an den Schnittstellen zu den ersten beiden Phasen und sollte auch deswegen konsequent in einer phasenübergreifenden Lehrkräftebildung mitgedacht werden. Also muss die Frage eigentlich lauten: Was erwarten die drei Phasen der Lehrkräftebildung voneinander? Einige der wichtigsten Antworten des Bremer QLB-Projekts mit dem Titel "Schnittstellen gestalten" sind folgende:
Haltung: Gemeinsamkeiten bewusst machen, Differenzen anerkennen, Durchlässigkeit stärken
Lehrkräfte werden (nur) in Deutschland in zwei Phasen ausgebildet. Von der ersten, primär wissenschaftsbasierten Phase unterscheidet die zweite ein starker Fokus auf den Einstieg in die Berufspraxis. Synergien zwischen den beiden Phasen sind dann gut nutzbar, wenn Theorie und Praxis als zwei Seiten einer Medaille gesehen und in diesem Sinne in beiden Ausbildungsphasen konsequent füreinander fruchtbar gemacht werden. Dies setzt eine Haltung voraus, die unterschiedliche phasenbezogene Schwerpunktsetzungen respektvoll anerkennt und an einem gemeinsamen Ziel orientiert. Nur wenn es gelingt, diese Haltung in der Ausbildung grundzulegen, kann sie in der dritten Phase der Lehrkräftebildung konsequent weiterentwickelt und individuell ausgestaltet werden. Dafür stehen alle Lehrkräftebildnerinnen und -bildner, egal in welcher Phase sie (primär) verankert sind, in der Pflicht.
Eine solche Haltung kann sich erfahrungsgemäß dann besonders gut verbreiten, wenn zwischen den drei Phasen eine Durchlässigkeit im Hinblick auf die Akteure besteht, das heißt dieselben Personen in mehreren Phasen aktiv sind. Das können an die Universität (teil)abgeordnete Lehrkräfte sein oder universitäre Lehrkräftebildner, die Fortbildungen (mit) gestalten. Im Bremer Kontext gehören zu dieser Personengruppe auch die Dual Promovierenden, also die Doktorandeninnen und Doktoranden in einem deutschlandweit einzigartigen Promotionsprogramm, das das Referendariat in eine fachdidaktische Promotion integriert.
Zielorientierung: Ein phasenübergreifendes Leitbild entwerfen, (weiter) entwickeln und implementieren
Für die phasenübergreifende Zusammenarbeit bildet ein gemeinsames, für alle drei Phasen anschlussfähiges Leitbild einen zentralen Anker. Vor diesem Hintergrund ist zum Beispiel die kohärente Verknüpfung von Theorie und Praxis erst möglich, da diese – wie viele andere Teilziele auch – nur im Hinblick auf ein solches, gemeinsam definiertes und immer wieder neu zu justierendes Leitbild konkretisiert werden kann. Am Standort Bremen haben wir uns Laufe der QLB-Förderung eingehend mit dieser Zielsetzung beschäftigt und uns früh auf das Leitbild des "Reflective Practitioner" für die phasenübergreifende Lehrkräftebildung verständigt. Dieses Leitbild hat sich in den vergangenen Jahren als anschlussfähig für die beteiligten Phasen und Fächer sowie als flexibel genug für beständige Anpassungen erwiesen.
Umsetzung: Raum für Austausch eröffnen, gemeinsam gestalten und erhalten
Die phasenübergreifende Zusammenarbeit, in der die erläuterten Erwartungen im Hinblick auf Haltung und Zielorientierung regelhaft einen Niederschlag finden können, braucht Raum und Zeit. In allen drei Phasen der Lehrkräftebildung müssen dafür regelhaft adäquate Ressourcen bereitgestellt und Formate gemeinsam, also phasenübergreifend, gestaltet sowie (weiter) entwickelt werden. Diese dürfen für die Beteiligten nicht "on top" kommen, sondern müssen explizit für die phasenübergreifende Kooperation vorgesehen sein – nur dann hängt deren Gelingen auch nicht von individuellen Akteuren ab. Wie solche gelingenden Formate im Einzelnen aussehen, ist in der regional geprägten Lehrkräftebildung in hohem Maße kontextgebunden. Was Ressourcen betrifft, so ist konsequenterweise in Zukunft zu erwarten, dass Förderlinien in der Nachfolge der QLB phasenübergreifende Formate adressieren, in denen die Ressourcen ebenso wie die Verantwortung für das Gelingen auf alle drei Phasen verteilt sind.
Sabine Oda Doff leitet seit 2016 das QLB-Projekt "Schnittstellen gestalten" an der Universität Bremen. Sie ist ausgebildete Gymnasiallehrerin für die Fächer Deutsch, Englisch und Philosophie; seit 2009 arbeitet sie als Professorin für Fremdsprachendidaktik Englisch, Sprach- und Literaturwissenschaften.