Schule kann sich nur verändern, wenn sich auch die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer ändert! Stiftung Lernen durch Engagement – Service-Learning in Deutschland : Datum:
Unser Bildungssystem steht vor großen Herausforderungen: Wissen allein reicht nicht mehr aus in der globalen digitalen Welt. Die Anwendung von Wissen, Teamfähigkeit, kritisches Denken und Kreativität rücken in den Fokus. Die Lehr- und Lernform Service-Learning – Lernen durch Engagement bietet großes Potenzial, jungen Menschen diese Bildungserfahrungen zu ermöglichen und sie auf die Zukunft vorzubereiten.
Von Carla Gellert und Franziska Nagy
Nach zwei Jahren weltweiter Pandemie und jüngst auch durch die akute Bedrohung Europas und einer friedlichen gemeinsame Zukunft zwängt sich die Frage auf: Wann, wenn nicht jetzt? Was lernen Kinder und Jugendliche über gesellschaftliche Zusammenhänge und globale Herausforderungen in der Schule? Wie kann Schule flexibel anknüpfen an die Lebenswelten von jungen Menschen und ihre Rolle in dieser Gesellschaft? Und wie kommen sie selbst ins Handeln, um ihre Selbstwirksamkeit und Eigenständigkeit zu erproben und auszubauen? Lernen durch Engagement (englisch Service-Learning, kurz LdE) verbindet schulisches Lernen mit gesellschaftlichem Engagement. Die Projektbeispiele an Schulen aller Schulformen sind vielfältig und haben eines gemeinsam: Sie stärken Schülerinnen und Schüler in ihrer Selbstwirksamkeit, fördern demokratische Kompetenzen und zeigen ganz praktisch, wie sie ihr Wissen sinnvoll anwenden können, indem sie sich für andere engagieren.
Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften bedeutsam für Service-Learning
Als Stiftung "Lernen durch Engagement" verbreiten wir Service-Learning an Schulen in Deutschland gemeinsam mit einem Netzwerk aus Schulen, Zivilgesellschaft und Bildungsverwaltung in allen Bundesländern. Bei der Frage, wie wir möglichst viele Schülerinnen und Schüler mit Service-Learning erreichen können und welche Hebel dafür besonders wirksam sind, spielt die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften eine zentrale Rolle. In den vergangenen Jahren haben sich bundesweit verschiedene Ansätze entwickelt, um Service-Learning in Lehrkräfteausbildung der ersten und zweiten Phase, aber auch in der Fort- und Weiterbildung, der dritten Phase, zu verankern.
Drei Good-Practice-Beispiele zeigen, wie es gelingt
Erste Phase: Universität Mannheim (Baden-Württemberg)
Als Lehramtsstudent und-studentin der Universität Mannheim kommt man um Service-Learning nicht herum: Am Ende des Studiums haben in der Regel alle angehenden Lehrerinnen und Lehrer Service-Learning als pädagogisches Konzept kennengelernt, meistens sogar ein eigenes Projekt durchgeführt und somit die Effekte und Wirkungen der Lehr- und Lernform selbst erfahren – was sie nachhaltig prägt. Hierfür hat das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsinnovation (ZLBI) der Universität ein systematisches Konzept entwickelt, das Service-Learning als profilbildendes Element der Mannheimer Lehrkräfteausbildung verankert und setzt dieses im Rahmen einer Bildungspartnerschaft mit Schulen und dem Fachbereich Bildung der Stadt um.
Studierende im Master of Education führen Sprachstandserhebungen in der Unterstufe an mehreren Mannheimer Gymnasien durch, entwickeln auf deren Basis individuelle Förder- und Lerneinheiten für kleine Schülergruppen und führen diese im Nachmittagsbereich an den Schulen durch. Dies ist nur ein Beispiel für ein seit 2018 verstetigtes Service-Learning-Projekt.
Zweite Phase: Staatliche Seminare des Landesinstituts für Schulqualität und Lehrerbildung (LISA) (Sachsen-Anhalt)
Auch in Sachsen-Anhalt ist Service-Learning in der Lehrkräfteausbildung fester Bestandteil des Curriculums. Seit mehr als zehn Jahren setzen sich Referendarinnen und Referendare am Staatlichen Seminar in Magdeburg und in Halle (Saale) in ihrem Hauptseminar mit der Lernform auseinander. Dabei lernen sie theoretische Grundlagen, Qualitätsstandards, Praxisbeispiele und Methoden kennen und tauchen auch praktisch tiefer ein, indem sie schon erste Projektideen entwickeln. Da ihre Ausbildungsschule bereits Lernen durch Engagement (LdE) verankert hat, können die angehenden Lehrkräfte direkt an ihrer Schule weitere Praxiserfahrungen sammeln.
Die Freiwilligen-Agentur Halle Saalkreis e.V., landesweite Netzwerkstelle für Lernen durch Engagement an Schulen in Sachsen-Anhalt, führt die Hauptseminarsitzungen in Kooperation mit dem LISA durch.
Dritte Phase: "Zertifikatskurs Lernen durch Engagement" in Schleswig-Holstein
Mit dem Ziel, dass alle Schulen bis 2026 einen Zugang zu Service-Learning erhalten und die Lernform als pädagogisches Angebot nutzen können, hat Schleswig-Holstein "Lernen durch Engagement" in der Fort- und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern fest verankert. Kern des staatlichen Fortbildungsangebots ist ein LdE-Zertifikatskurs, der seit 2018 am Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein (IQSH) angeboten und vom Kompetenzzentrum für Lernen durch Engagement Schleswig-Holstein durchgeführt wird. Diese Fortbildung findet in zehn Modulen mit insgesamt circa 56 Stunden Umfang über ein gesamtes Schuljahr statt. Die teilnehmenden Lehrerinnen und Lehrer arbeiten dabei in Schultandems zusammen und setzen gemeinsam ein eigens LdE-Projekt um. Ziel ist langfristige Implementierung von LdE an Schulen durch die Schulleitungen.
Am wirksamsten ist eine systematische Verankerung
Diese drei Beispiele aus dem bundesweiten Netzwerk Lernen durch Engagement zeigen: Es gibt gute Ansätze, auch in vielen weiteren Bundesländern. Unser Plädoyer: Am wirksamsten ist eine systematische Verankerung von Service-Learning die sich wie ein roter Faden durch alle drei Phasen der Lehrer- und Lehrerinnenbildung zieht. Denn in jeder Phase gibt es große Vorteile: In der ersten Phase im Studium profitieren die Studierenden selbst durch wertvolle eigene Service-Learning-Erfahrungen. Die zweite Phase bietet durch die Kooperation mit den Landesinstituten einen zentralen Hebel, um alle Referendarinnen und Referendare mit Service-Learning zu erreichen. Und die Lehrerfort- und -weiterbildung ist der Ort, um LdE weiter zu verbreiten, bestehende Kenntnisse zu vertiefen, eigene Praxis zu reflektieren und sich kontinuierlich weiterzubilden. Nur so, davon sind wir überzeugt, können wir Lehrerinnen und Lehrer gut qualifizieren, stärken und kontinuierlich dabei begleiten, Schule nachhaltig zu verändern. Als erfahrene Fortbildnerin am IQSH resümiert Marion Schlüter:
Wann also, wenn nicht jetzt?
Carla Gellert studierte Diplom-Philologie an der Universität Mannheim und University of North Carolina at Chapel Hill. Nach ihrem Abschluss war sie zunächst für die Verbreitung von Service-Learning an der Universität Mannheim tätig und wechselte 2010 zur Freudenberg Stiftung, um Lernen durch Engagement bundesweit auf schulischer Ebene zu verankern. Seit 2017 ist Carla Gellert Mitgründerin und Mitglied der Geschäftsleitung der Stiftung Lernen durch Engagement.
Franziska Nagy studierte Publizistik, Politik und Soziologie in München und Berlin. Seit 2010 arbeitet sie zu Service-Learning – Lernen durch Engagement an Schulen, zunächst als Mitarbeiterin der Freudenberg Stiftung. Seit 2017 ist Franziska Nagy Mitgründerin und Mitglied der Geschäftsleitung der Stiftung Lernen durch Engagement.