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„Positive Vielfalt“ oder „zufälliges Durcheinander“ bei der Entwicklung der Querstrukturen in der Lehrkräftebildung. Ein Kommentar der Programmevaluation : Datum:

Die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ hat viel angestoßen und zur Stärkung der Lehrkräftebildung beigetragen – auch durch die Entwicklung und Optimierung von Querstrukturen. Diese sind in ihrer standortspezifischen Ausgestaltung und zugeschriebenen Funktion sehr unterschiedlich. Ohne Mandate von Hochschulleitungen und Landesministerien bleibt die Durchsetzungsstärke und Qualität der Lehrkräftebildung an den Hochschulen von spezifischen Macht- und Akteurskonstellationen abhängig.

Ein Mann sitzt in einem Raum auf dem Tisch und spricht mit jungen Menschen.
Quer-, Gremien- und Kooperationsstrukturen helfen dabei, die Zusammenarbeit aller Beteiligten der Lehrkräftebildung zu verbessern – jedoch unterscheiden sich Vielfalt und Möglichkeiten dieser Strukturen an den Hochschulstandorten. © gettyimages/Phil Boorman

Ein Kommentar von Herbert Altrichter, Anja Durdel und Julia Tölle

Für die Evaluation der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) ist Strukturbildung als übergeordnetes Programmziel ein Fokusthema. Grundsätzlich wurde zum Ende der ersten Förderphase eine positive Bilanz gezogen: Die QLB hat viel angestoßen und – insbesondere durch erhöhte Aufmerksamkeit bei Hochschulleitungen – vielerorts zur Stärkung der Lehrkräftebildung an Hochschulen geführt. Gesetzte Impulse führten unter anderem zur Entwicklung und Verbesserung von Quer-, Gremien- und Kooperationsstrukturen, die eine Antwort auf Fragmentierungen der Lehrkräftebildung zu geben versuchen.

Die Fragmentierung zeigt sich innerhalb der ersten Phase im Zusammenspiel der Bezugswissenschaften – quer zu traditionellen Fächerstrukturen an Universitäten – und über die (Aus-)Bildungsphasen hinweg im Zusammenspiel der Institutionen der Lehrkräftebildung aus unterschiedlichen Verantwortungsbereichen. Deshalb werden Strukturen benötigt, die belastbare Verbindungen innerhalb der Hochschulen und hin zu relevanten Umfeldakteuren sicherstellen.
Diese sollten durch normative Regelungen und Ressourcen gestützt werden, die es wahrscheinlich machen, dass Akteure an den Hochschulen und im Umfeld der Lehrkräftebildung verlässlich an der Weiterentwicklung der Qualität der Lehrkräftebildung arbeiten. Damit haben Querstrukturen eine nach innen und eine nach außen gerichtete Schnittstellen-Funktion – und sie bedürfen der Absicherung. Funktion und Absicherung werden bundesland- und hochschulbezogen verschieden gelöst, wodurch unterschiedliche Ebenen im System der Lehrkräftebildung hinsichtlich Steuerungsaufgaben angesprochen sind.

Querstrukturen als „strategischer Kern“ mit vielfältigen Funktionen

Mit der (Weiter-)Entwicklung der Zentren für Lehrkräftebildung oder Schools of Education verbunden ist die Erwartung einer Bündelung der Verantwortung für die Lehrkräftebildung. Auf Hochschulebene sehen wir in unseren Monitoring-Daten aktuell eine große Bandbreite an Aufgaben und Funktionen. Sichtbar wird, woran geförderte Projekte konkret bei der Weiterentwicklung ihrer Querstrukturen ansetzen. Dabei ist festzustellen, dass stärker am Status der Lehrkräftebildung an der Hochschule sowie an Ressourcenfragen gearbeitet wird, während die Weiterentwicklung der Entscheidungswege für Lehrkräftebildung – gewollt oder ungewollt? – weniger im Fokus der Aktivitäten steht. Die Aufgabenzunahme wird, auch wenn dies zum jetzigen Zeitpunkt noch vorsichtig zu interpretieren ist, oftmals scheinbar nicht konsequent durch eine Ausweitung der formalen Entscheidungskompetenz begleitet und abgesichert. Dort, wo dies gelingt, ist überdurchschnittlich häufig die Hochschulleitung als leitendes Mitglied in die Querstruktur eingebunden. Mit dem personellen Wechsel in Hochschulleitungen können sich Entscheidungswege jedoch wieder ändern. Damit scheinen verschiedene Rahmenbedingungen und Akteurskonstellationen an einzelnen Standorten entscheidend dafür zu sein, welche Aufgaben die Querstrukturen übernehmen und wie erfolgsversprechend und nachhaltig diese Strukturen sind.

Sichernde Rahmenbedingungen

Neben der unterschiedlichen Tradition und Gestaltungsmöglichkeit der Lehrkräftebildung an den Standorten sind insbesondere die rechtlichen Rahmenbedingungen der steuernden Länderebene divers. Dort finden sich von sehr allgemein gehaltenen Empfehlungen zur Gründung von Querstrukturen bis hin der Definition von konkreten Aufgaben und hinterlegten Ressourcen vielfältige Konkretisierungsgrade. Auch werden den Querstrukturen unterschiedliche Wirkungsgrade bei der phasenübergreifenden Zusammenarbeit und Qualitätsentwicklung zugesprochen. Neben der Einbindung der Hochschulleitung scheint dieser Aspekt der normativen Verankerung der Querstrukturen ein zentraler Faktor zu sein, der zur Vielfalt der Querstrukturen führt. Die hochschulischen Akteure in der Lehrkräftebildung sind bei einer fehlenden rechtlichen Verankerung und Rahmensetzung für den strategischen Kern ihrer Querstrukturen einmal mehr dem mikropolitischen Spiel von Aushandlungsprozessen ausgesetzt, was Gestaltungsressourcen bindet.

Die Vielfalt von Querstrukturen mag vor dem Hintergrund verschiedener Entwicklungstraditionen und Hochschulkulturen positiv zu sein. Die Durchsetzungskraft von Querstrukturen kann jedoch negativ beeinflusst werden, wenn längerfristig verlässliche Mandate von Hochschulleitungen und Landesministerien fehlen. Hier wäre weniger Vielfalt vielleicht mehr.


Prof. Dr. Herbert Altrichter unterstützt das Evaluationsteam von Ramboll mit seiner wissenschaftlichen Expertise seit Beginn der QLB-Programmevaluation, insbesondere hinsichtlich governance-analytischen Fragestellungen. Bis zum Jahr 2020 hatte er den Lehrstuhl für Pädagogik und Pädagogische Psychologie an der Johannes Kepler Universität in Linz, inne. Derzeit ist er emeritierter Professor an der Linz School of Education sowie Senior Professor der Goethe-Universität Frankfurt.

Dr. Anja Durdel begleitet die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ als Projektleiterin der Programmevaluation seit 2016 und bringt dabei insbesondere ihre umfassende Erfahrung in ressortübergreifenden Steuerungsfragen und in der Evaluation strukturbildender Programme ein. Die promovierte Pädagogin leitet bei Ramboll das Team Politikberatung und Evaluation in den Feldern Bildungs-, Wirtschafts- und Innovationspolitik.

Julia Tölle ist Diplom-Soziologin und bei Ramboll als Seniorberaterin insbesondere mit (Programm-)Evaluationen im bildungspolitischen Bereich betraut. Als Teil des Evaluatoren-Teams begleitet sie die „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ seit 2018.