Nachhaltigkeit durch strukturpflegende Forschungsförderung – Perspektiven für die Zeit danach : Datum:
Die "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" hat die Lehrkräftebildung an den Hochschulen deutlich sichtbarer gemacht und es ermöglicht, eigene Arbeits- und Entwicklungsschwerpunkte zu setzen. Doch tragen diese strukturellen Entwicklungsmaßnahmen auf Dauer?
Von Nils Berkemeyer
Worum geht es in der Lehrkräftebildung? Welche Aufgaben erfüllt sie für moderne Gesellschaften? Vielleicht ist es nicht unnütz, von diesen Fragestellungen her zu denken, um eine Beschreibung der Ausgangslage zu haben, die dann Anfangspunkt für die Analyse von Innovationen werden kann.
Praxisbezug als einigendes Moment einer paradigmatisch beschriebenen Lehrkräftebildung
Die Lehrkräftebildung wird maßgeblich von den Ländern – und mittlerweile nachhaltig in Teilen auch vom Bund – finanziert, um die Schulen mit Lehrkräften zu versorgen. Dies gelingt unterschiedlich gut. Aktuell geht es vor allem darum, möglichst schnell mehr Lehrerinnen und Lehrer an die Schulen zu bringen. Die Sicherung der Qualität der Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte gerät hierbei oftmals in den Hintergrund. Der externe Druck auf die Universitäten und andere staatliche Einrichtungen zur Aus- und Fortbildung wird durch die Menge geforderter Absolventen zusätzlich verschärft. Zur Sicherung der Handlungsfähigkeit künftiger Lehrkräfte wird von Studierenden, Bildungspolitikerinnen und -politikern und auch vielen Lehrerbildnerinnen und -bildnern ein diffuser Praxisbezug gefordert. Dieser ist womöglich ein einigendes Moment einer von manchen als paradigmatisch beschriebenen Lehrerinnen- und Lehrerbildung.
Tragen die positiven Entwicklungsmaßnahmen der QLB auf Dauer?
In dieser Gemengelage wirkt die zweite Förderphase der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" (QLB) als willkommene Möglichkeit, sich neben vielfältigen Zwängen auch mit selbst gewählten Arbeits- und Entwicklungsschwerpunkten – freilich im Rahmen eines strukturierten Programms – zu befassen. Zugleich werden die Hochschulleitungen über die mit der QLB verbundenen Drittmittel daran erinnert, dass die Lehrkräftebildung eine der wesentlichen Säulen der Universitäten ist. Die an vielen, vielleicht allen Standorten der QLB erreichte Anerkennung tut den Kolleginnen und Kollegen sichtlich gut. Bemerkenswert sind auch die zahlreichen neuen bzw. intensivierten Kontakte zwischen Akteurinnen und Akteuren der Lehrerbildung. Insbesondere Fachdidaktik und Bildungswissenschaft sind vielerorts bemüht, das mitunter zarte Pflänzchen der Kooperation zu pflegen in Jena beispielsweise in Form einer Doppelspitze aller Teilprojekte sowie des Gesamtprojekts aus Wissenschaftlerinnen und einer Wissenschaftlern aus der Bildungswissenschaft und den Fachdidaktiken.
Ob solche strukturellen Entwicklungsmaßnahmen auf Dauer tragen, wird sich zeigen. Klar ist aber bereits jetzt, dass sie bestimmte Konflikte nicht (auf)lösen. Hinzu tritt ein Problem, dass vieles in der QLB von Professorinnen und Professoren gelenkt ist, die Lehrkräftebildung selbst jedoch nur in Teilen von denselben Personen umgesetzt wird. Die Rolle der "Bestandsmitarbeiter" sowie der neuen Drittmittelmitarbeiterinnen und -mitarbeiter ist nicht immer ganz klar. Damit sind nur wenige Aspekte angesprochen, die noch klärungsbedürftig erscheinen.
Mit einer Kultur der Konfliktbearbeitung und stärkeren Forschungsorientierung in die Zukunft
Um die angestoßene positive Entwicklung der Lehrkräftebildung weiter voranzubringen, muss eine Kultur der Konfliktbearbeitung etabliert werden. Diese Kultur muss auch den Lehramtsstudierenden vermittelt werden, die künftig in ihren Schulen mit durchaus ähnlichen Konflikten beispielsweise in Bezug auf Fächer, mitunter auch Rollen, konfrontiert sind. Was wir zudem benötigen, ist eine deutlichere Fokussierung auf Forschung.
Die QLB, bei allen Vorzügen, die mit ihr verbunden werden können, organisiert Kooperation überwiegend durch Strukturentwicklung. Vielleicht musste dies so sein, da die Lehrkräftebildung bekanntermaßen ein Struktur- und ein Governancedefizit hat. Doch womöglich macht es in einer weiteren Initiative Sinn, die angelegten Strukturen nun durch Forschung weiter zu fördern. Im Sinne eines künftigen Förderprogramms könnten beispielsweise solche Forschungsprojekte förderungswürdig sein, die in besonderer Weise auf Strukturen der QLB aufbauen – beispielsweise Tandems aus Fachwissenschaft und Fachdidaktik oder Fachdidaktik und Bildungswissenschaft. Es könnten Forschungen gefördert werden, in denen phasenübergreifende Kooperationen von Bedeutung sind und vieles andere mehr. So bekäme die Lehrkräftebildung einen echten Schub, weil deutlich sichtbarer als bislang Forschung in den Alltag der Studierenden rücken und so eine größere Nähe zur Wissenschaft hergestellt werden könnte. Strukturen durch Forschung festigen und Forschung für Studierende sichtbar und erfahrbar machen, dies wären die nächsten logischen Schritte, um eine vielversprechende Initiative zu einem großen Erfolg zu machen.
Prof. Dr. Nils Berkemeyer ist Inhaber des Lehrstuhls für Schulpädagogik und Schulentwicklung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und Mitglied des Senats der Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften.