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Kurz gefragt: Welche Idee steckt hinter den „Fachgesprächen Lehrerinnen- und Lehrerbildung“? : Datum:

Die Lehrkräftebildung in Deutschland hat in den letzten Jahren erhebliche Transformationsprozesse durchlaufen. Die vier Universitäten Dresden, Hannover, Münster und Tübingen nehmen dies zum Anlass, um in acht Veranstaltungen über aktuelle institutionelle, hochschuldidaktische und professionsbezogene Aspekte der Lehrkräftebildung zu sprechen und zu diskutieren. Nina Beck, Thorsten Bohl und Axel Gehrmann sprechen über die Idee der interdisziplinären und integrativen Veranstaltungsreihe.

Dreigeteilter Bildschirm einer Videokonferenz mit drei Personen: Axel Gehrmann, Thorsten Bohl und Nina Beck
Axel Gehrmann, Thorsten Bohl und Nina Beck haben die interdisziplinäre Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung“ mit ins Leben gerufen. © Tübingen School of Education

Dr.Nina Beck (Tübingen School of Education (TüSE)), Prof. Dr. Thorsten Bohl (Tübingen School of Education (TüSE)) und Prof. Dr. Axel Gehrmann (Technischen Universität Dresden) sprechen über die Genese der Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung“.

Im November ist Ihre Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs. Perspektiven.“ gestartet – wie kam es zu dieser hochschulübergreifenden Zusammenarbeit?

Beck: Wir beobachten in Tübingen schon seit einigen Jahren eine etwas unverbundene Parallelität des forschungsbasierten wissenschaftlichen Diskurses innerhalb der Lehrkräftebildung und der Professionsforschung einerseits und zahlreichen, interessanten und innovativen Aktivitäten – in der Regel projektbezogen – im Rahmen der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ (QLB) andererseits. Die Verbindung ist nicht immer klar.

Bohl: … zum Beispiel: Wie forschungsbasiert sind die Konzepte der QLB-Projekte? Und inwiefern erbringen die QLB-Projekte Forschungserkenntnisse und inspirieren und bereichern den wissenschaftlichen Diskurs? Wir haben deshalb überlegt, in welchem Format der Diskurs intensiviert werden kann. Dazu wollten wir unbedingt von Beginn an in einem kleinen, handlungsstarken Netzwerk agieren und haben dazu drei weitere Standorte angefragt – durchweg große, sichtbare, sozusagen ‚starke‘ Orte der Lehrkräftebildung – aus dem Osten, Westen, Norden und Süden.

Gehrmann: Die Diskursstränge in Deutschland sind nicht immer gleich über alle Bundesländer verteilt und etwa ganz NRW ist alleine von der Bevölkerung wie von den Standorten der Lehrkräftebildung her so ‚groß und stark‘ wie die fünf ostdeutschen Bundesländer zusammen. Da bleibt auch dreißig Jahre nach der Wende immer noch manches Mal der westdeutsche Blick getrübt allein durch die große Zahl. Fairerweise gehen wir davon aus, dass von jeher große etablierte Standorte mit breitem institutionellen Background wie ausdifferenzierter Forschungstradition kleineren Standorten begegnen, die nichtsdestotrotz exzellente Forschungen vorlegen können. Auch zeigt sich etwa am Thema ‚Lehrkräftemangel‘ beziehungsweise ‚alternative Wege in den Lehrberuf‘ wie ein Thema regional zunächst aus Ostdeutschland virulent, dann dort beforscht wurde und jetzt in Westdeutschland absolut notwendig zur Bearbeitung ansteht.

Parallel zur "Qualitätsoffensive Lehrerbildung", aber – wie Sie bereits angedeutet haben – oftmals auch unabhängig vom Förderprogramm, besteht in der Lehrkräftebildung ein interdisziplinärer Forschungsdiskurs. Wie greifen Sie diese aktuellen sowohl grundlegenden als auch (hoch-)schuldidaktischen und professionsbezogenen Themen in den Fachgesprächen auf?

Gehrmann: Wir haben zunächst sorgfältig darauf geachtet, dass nicht einseitig ein Forschungsparadigma oder ein Professionsansatz im Vordergrund steht. Die Reihe soll interdisziplinär und integrativ sein. Zudem wollten wir von Beginn an und bei jedem Thema eine Vertreterin oder einen Vertreter der ‚next generation‘ dabei haben.

Bohl:Die Themen sind durchweg zentral für die Weiterentwicklung der Lehrkräftebildung. Im Grunde beschäftigen sich alle lehrkräftebildenden Standorte und Bundesländer mit den Themen. Es geht um Qualitätsentwicklung, um institutionelle Aspekte, um hochschuldidaktische oder professionsbezogene Aspekte oder um Fragen der Rekrutierung von Lehrkräften, aber auch um schul- und unterrichtsbezogene Forschungsfragen, die in der Lehrkräftebildung virulent sind.

Wen möchten Sie mit der Veranstaltungsreihe erreichen?

Bohl: Wir möchten Akteure der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, zunächst im deutschsprachigen Raum, erreichen, die selbst in der Lehrkräftebildung involviert sind und sowohl an Forschung als auch an der qualitätsvollen und innovativen Weiterentwicklung der Lehrkräftebildungsstandorte interessiert sind – das zieht sich dann über die drei Phasen hinweg und umfasst sicher auch Akteure der Kultusbehörde oder der länderspezifischen Institute für Qualitätsentwicklung. Das waren zumindest unsere Überlegungen, nun sind wir gespannt, wie die Resonanz sein wird.

Welche Perspektiven erhoffen Sie sich aus den Fachgesprächen für die Zukunft der Lehrkräftebildung?

Bohl: Zunächst müssen wir schauen, ob dies ein geeignetes Forum für einen intensiven wissenschaftlichen Austausch sein kann. Die Vorträge werden dauerhaft auf YouTube eingestellt bleiben. Wir hoffen natürlich auch auf standortspezifische Weiterentwicklungen oder auf weitere Aktivitäten innerhalb der Community.

Gehrmann: Wir haben jetzt für ein Jahr geplant. Je nachdem welche Resonanz die Reihe haben wird, ist eine Fortsetzung durchaus realistisch. Da gibt es auch schon weitere Ideen. Denkbar ist eine stärkere internationale Ausrichtung und natürlich kann sich das Format auch weiterentwickeln. Corona hat uns da ja technisch viel ermöglicht und schon positiv erfahren lassen. Für mich würde sich besonders die Frage stellen, wie wir in Zukunft die Lehrerinnen- und Lehrerbildung aufstellen, wenn immer mehr Querschnittsthemen in die Curricula drücken, in der Regel zeitlich die bildungswissenschaftlichen Inhalte darunter leiden und die Zeit des Studiums einfach begrenzt ist. Müssen wir nicht stärker den Blick richten auf die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte im berufsbiografischen Prozess?

Beck: Es geht ja nicht nur um die Zukunft der Lehrkräftebildung. Unsere Gesellschaft steht vor immensen Herausforderungen und die Frage wird uns zunehmend beschäftigen, was die Lehrerinnen- und Lehrerbildung zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen kann. Da geht sicher mehr als ‚nur‘ zu sagen, dass Lehrkräftebildung eben sehr gut sein muss. Wichtige Fragen sind beispielsweise: Mit welchen Themen beschäftigen wir uns in der verfügbaren Zeit, etwa in der ersten Phase der Lehrkräftebildung? Was können wir beitragen zu einem generationsübergreifenden Diskurs und einer generationsübergreifenden Solidarität?

Dr. Nina Beck ist Geschäftsführerin der Tübingen School of Education (TüSE).
Prof. Dr. Thorsten Bohl ist geschäftsführender Direktor der TüSE.

Prof. Dr. Axel Gehrmann leitet das Zentrum für Lehrerbildung, Schul- und Berufsbildungsforschung (ZLSB) der Technischen Universität Dresden, ist Hauptverantwortlicher des Projekts „Synergetische Lehrerbildung" (TUD-Sylber) sowie Ko-Projektleiter des Verbundprojekts „Praxis digital gestalten in Sachsen“ (PraxisdigitaliS).