Kommentar: Kompetenzen von heute, Kompetenzen von morgen – Anforderungen und Aufgaben an Lehrkräfte im Wandel : Datum:
Die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen wirken sich auf Schule und Bildung und damit auf die Kompetenzanforderungen aus, denen die Lehrkräfte gerecht werden müssen. Über welche Kompetenzen Lehrkräfte verfügen müssen, um Schülerinnen und Schüler auf die Herausforderungen von morgen vorbereiten zu können, muss mit Blick auf diese diskutiert werden. Deutlich wird, die Anforderungen und Aufgaben sind komplex und befinden sich im Wandel.
Von Carina Peter und Andreas Turek
Die heute definierten Kompetenzanforderungen an Lernende werden in Rahmenplänen und fachspezifischen Bildungsstandards definiert und umfassen unter anderem Fachwissen und Analysekompetenzen sowie Kompetenzen in den Bereichen Beurteilung/Bewertung, Erkenntnisgewinnung/Methoden, Kommunikation und Handlung. Dieses Kerngeschäft Unterricht, der "klassische Bildungsauftrag" – also die Vermittlung von Kenntnissen, Fähigkeiten und Werthaltungen – ist nach wie vor sehr wichtig und wird hauptsächlich arbeitsteilig durch die Arbeit in den verschiedenen Schulfächern bewältigt.
Digitalisierung, Umgang mit Heterogenität, globaler Wandel und Nachhaltigkeit, und damit Fragen nach einer nachhaltigen und gerechten Ressourcennutzung, dem Klimawandel und zu politischen Stabilitäten, sind die zentralen Herausforderungen der Gesellschaft von heute und mit einer zunehmenden Dynamik werden es auch die Aufgaben von morgen sein. Diese Aufgaben sind komplex und als gesamtgesellschaftliche Herausforderung, insbesondere aber auch als Bildungsaufgabe, zu verstehen. Bildung stellt hier sogar einen Schlüsselfaktor dar, denn durch sie sollen Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt werden, in einer sich schnell ändernden Welt Handlungsoptionen im Sinne einer ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit zu entwickeln. So zeigt die Bewegung Fridays for Future, dass die junge Generation längst nicht unreflektiert mit solchen Aufgaben und der gesellschaftlichen Verantwortung umgeht. Auch in der Berufs- und Arbeitswelt ändern sich die Anforderungen schnell. Lehrkräfte müssen ihre Lernenden auf eine sich verändernde (Berufs-)Welt vorbereiten, deren Anforderungen nicht zuletzt verstärkt durch die Digitalisierung geprägt werden.
Diese aktuellen gesellschaftlichen Zielsetzungen verschieben gegenwärtig auch die Schwerpunkte der Kompetenzanforderungen an Lehrkräfte. Über welche Kompetenzen Lehrkräfte verfügen müssen, um Schülerinnen und Schüler auf eine Gesellschaft und auf die Herausforderungen von morgen vorbereiten zu können, muss mit Blick auf diese komplexen Anforderungen und Aufgaben diskutiert werden. Sicher ist, die Anforderungen sind weitreichend und befinden sich in einem stetigen Wandel. Die sogenannten Querschnittsaufgaben stehen dabei zumindest teilweise im Widerspruch zu den Schulfächern, zugleich die Fachlichkeit mehr denn je von besonderer Wichtigkeit ist.
Die Lehrkräfte müssen zur Bewältigung der Aufgaben eine hohe fachliche Kompetenz aufweisen, wenn beispielsweise komplexe Inhalte, wie Klima- oder Migrationsprozesse, oder fachspezifische Methoden vermittelt werden sollen. Sie benötigen aber auch ein breites Fundament an überfachlichen Fähigkeiten. So werden beispielsweise in der Kompetenzforschung für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung Anforderungen modelliert, die nicht nur Kompetenzen berücksichtigen, die eine Lehrkraft in ihrem Kerngeschäft, also dem Unterricht benötigt. Darüber hinaus werden Lehrkräfte eben auch als Teil ihrer (Bildungs-)Institution und der Gesellschaft gesehen, so dass diese Tätigkeitsfelder ebenfalls durch entsprechende Kompetenzen abgedeckt werden müssen.
Die Erschließung und kritisch-reflexive Analyse komplexer Probleme und Aufgaben geht oftmals mit Unsicherheiten einher und führt zu diversen Entscheidungsdilemmata. Dennoch werden zur Erreichung der Ziele zunächst Entscheidungen notwendig, die in Handlungen überführt werden müssen, die auch trotz gewisser Unsicherheiten nicht ausbleiben dürfen.
Die Komplexität der Aufgaben fußt einerseits im Verständnis der Fachlichkeit, aber auch in der Fähigkeit, über Fachgrenzen hinaus Querschnittsaufgaben bewältigen zu können. Es wird erwartet, dass Lehrkräfte als Teil der Institution Schule und Mitglied der Gesellschaft diese mitgestalten und ihre Schülerinnen und Schüler dazu befähigen, dies ebenfalls zu tun. Kooperations- und Teamfähigkeit werden somit in Zukunft eine noch stärkere Rolle spielen, damit die Institution Schule als Ganzes der Aufgabe gerecht werden kann.
Die Größe der Aufgaben verlangt von Lehrkräften zudem die Fähigkeit zur Vernetzung mit inner- und außerschulischen Partnern, die Notwendigkeit von Handlungen – auch im außerschulischen Umfeld - die Fähigkeit, Visionen zu entwickeln, Entscheidungen zu treffen und zur Umsetzung und Erreichung von gemeinsamen gesteckten Zielen auch die entsprechenden Organisations- und Planungskompetenzen.
Um diesen Kompetenzanforderungen gerecht zu werden – die komplexen gesellschaftlichen Herausforderungen annehmen und auf eine dynamische Berufswelt vorbereiten zu können – ist eine Einlassung auf kontinuierliche Professionalisierungsprozesse entscheidend. Lebenslanges Lernen wird noch bedeutender. Die Professionalisierung der (angehenden) Lehrkräfte für diese komplexen Anforderungen kann nur erfolgreich sein, wenn sie über alle Phasen der Lehrerbildung hinweg, vom Studium bis hin zu Fort- und Weiterbildungen, reicht.
Carina Peter ist Professorin für Geographiedidaktik und seit 2018 Prodekanin des Fachbereichs Geographie und seit 2019 Direktorin des Zentrums für Lehrerbildung an der Philipps-Universität Marburg. Sie arbeitet seit 2015 in dem BMBF-geförderten Projekt "ProPraxis" an der Weiterentwicklung des Studiengangs Lehramt für Gymnasien an der Philipps-Universität Marburg mit.
Andreas Turek ist Studienrat an der Martin-Luther-Schule in Marburg und war bis 2019 im Rahmen des durch die "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" geförderten Projekts "ProPraxis" als Mitarbeiter an der Philipps-Universität Marburg in der Lehrerbildung tätig.