Herausforderungen des Berufseinstiegs anpacken – die eigenverantwortlich tätige Lehrperson unterstützen : Datum:
Der Einstieg in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit stellt Lehrpersonen vor Herausforderungen, die in der Komplexität von gleichzeitig zu meisternden Anforderungen sprunghaft ansteigen. Die eigenverantwortliche Berufstätigkeit geht weit über eigenverantwortliches Unterrichten hinaus. Entwicklungsaufgaben sind als Herausforderung anzunehmen und zu bearbeiten. Institutionen tragen eine Mitverantwortung für den erfolgreichen Berufseinstieg von ausgebildeten Lehrpersonen.
Von Manuela Keller-Schneider
Eine Ausbildung zur Lehrperson ermöglicht eine solide Basis, um in die eigenverantwortliche Berufstätigkeit einzusteigen. Bedingt durch den Wechsel in die neue Phase und den sich damit verändernden Anforderungen ist weitere Professionalisierung erforderlich. Eine berufliche Identität muss entwickelt und den eigenen beruflichen Vorstellungen entsprechend ausgestaltet werden.
Eine Ausbildung legt Grundlagen – Berufseinstiegsspezifische Entwicklungsaufgaben folgen
Trotz eigenverantwortlichem Unterrichten im Vorbereitungsdienst stellen sich berufsphasenspezifische Entwicklungsaufgaben. Berufseinsteigende Lehrpersonen sind vor diverse Herausforderungen gestellt. Empirischen Befunden folgend lassen sich diese wie folgt beschreiben:
- Identitätsstiftende Rollenfindung: Berufseinsteigende sind gefordert, ihre Berufsrolle den eigenen Vorstellungen und Visionen entsprechend zu gestalten. Berufliches Engagement ist erforderlich bei gleichzeitigem Abwägen von Möglichkeiten und Ressourcen.
- Adressatenbezogene Vermittlung: Stand im Rahmen der Ausbildung das Handeln der angehenden Lehrperson im Vordergrund, das von Ausbildungspersonen beurteilt und durch Feedback gefördert wurde, so steht in der eigenverantwortlichen Berufstätigkeit das Lernen der Schülerinnen und Schüler im Zentrum. Den Unterricht auf die individuellen Möglichkeiten und Voraussetzungen der Lernenden auszurichten und dabei eine optimale Passung zu finden, stellt nun die größte Herausforderung dar.
- Anerkennende Klassenführung: Für effektives Lernen ist ein lernförderliches Klassenklima erforderlich. Klassenführung beschränkt sich nicht auf situative Führungsaufgaben, sondern nimmt in einem größeren Zeithorizont die Entwicklung einer Klassenkultur in den Blick. Dynamiken der Klasse müssen erkannt und Abläufe geklärt werden, damit die Unterrichtszeit genutzt und das Wohlbefinden aller Akteurinnen und Akteure gestärkt werden kann.
- Mitgestaltende Kooperation in und mit der Institution Schule: Eigenverantwortlich tätige Lehrpersonen sind gefordert, sich im Kollegium zu positionieren, eigene Sichtweisen und Potentiale einzubringen, Kooperationen mit Kolleginnen und Kollegen und der Schulleitung aufzubauen, sowie in den Berufsstand einzutreten. Lehrerin bzw. Lehrer werden wird zu Lehrerin bzw. Lehrer sein, Mitverantwortung in organisationalen und institutionellen Bereichen ist erforderlich.
Eigenverantwortlichkeit wird spürbar
Lehrpersonen in der eigenverantwortlichen Berufstätigkeit sind gefordert, die eigene Berufsidentität zu finden, ohne sich Erwartungen von Ausbildungsinstitutionen und Ausbildungspersonen unterziehen zu müssen. In der eigenverantwortlichen Berufstätigkeit entfällt der Beurteilungsdruck, doch nun wird der Druck der Eigenverantwortlichkeit spürbar: "Endlich kann ich selber bestimmen, wie ich eine Klasse unterrichten und führen möchte! – Aber nun muss ich auch selber wissen, wie ich das tun will."
Angebote zur weiteren Professionalisierung
Da der Berufseinstieg strukturbedingt von einer neuen Komplexität der Anforderungen geprägt ist, sind die Berufseinsteigenden selbst, aber auch die Institutionen gefordert, diesen Übergang zu gestalten. Den schweizerischen Modellen der Berufseinführung als erste Phase der Weiterbildung zufolge sind mehrere Institutionen daran beteiligt.
Die Pädagogischen Hochschulen bietet berufsphasenspezifische Weiterbildungsangebote zu berufseinstiegsrelevanten Themen an, wie Elternarbeit, individuelle Begleitung und Förderung der Schülerinnen und Schüler, Aufbau einer Klassenkultur, sich in ein Kollegium einfinden, Selbst- und Ressourcenmanagement. In Supervisionen (einzeln und in Gruppen) werden aus der Berufsarbeit hervorgehende Anliegen bearbeitet, um Vorstellungen zu klären und entsprechende Handlungsoptionen zu entwickeln. An der lokalen Schule tätige Lehrpersonen werden für ihre Aufgabe als Begleitperson ausgebildet.
An den Schulen stehen diese weitergebildeten Lehrpersonen bereit, um die Begleitung von eigenverantwortlich tätigen Berufseinsteigenden zu übernehmen und offen für ihre Anliegen diese in ihrer Einfindung in die Aufgaben einer Lehrperson der lokalen Schule zu unterstützen.
Manuela Keller-Schneider, Prof. Dr. phil., ist Professorin an der Pädagogischen Hochschule Zürich für Professionsforschung und Lehrer/innenbildung, mit einem Schwerpunkt in der Supervision, der Weiterbildung und der Forschung zum Berufseinstieg von Lehrpersonen.