Die Qualitätsoffensive bringt die Lehrerbildung in Deutschland voran : Datum:
Das Auswahlgremium hat die Anträge für den zweiten Förderzeitraum der Qualitätsoffensive kritisch geprüft und war insgesamt von den Fortschritten beeindruckt, die an den Hochschulen in den letzten Jahren erreicht wurden: Abgestimmte Curricula, innovative Unterrichtskonzepte und Lehrmaterialien, systematische Praxisbezüge kennzeichnen einen Studienalltag, der die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer sehr viel besser auf die professionellen Anforderungen von Unterricht und Schule vorbereitet.
Von Manfred Prenzel
Die Entscheidungen über die weitere Förderung der Vorhaben in der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ sind gefallen – ein Anlass, kurz Bilanz zu ziehen und den Blick in die Zukunft zu richten.
Deutliche Verbesserung der Organisationsstrukturen für die Lehrerbildung
Die Berichte über die Arbeiten an den zahlreichen Standorten ergeben ein übereinstimmendes, großes Bild: Mit den Vorhaben der Qualitätsoffensive ist es gelungen, die Organisationsstrukturen für die Lehrerbildung und damit vor allem den Studienalltag deutlich zu verbessern. Das zeigt sich insbesondere an den vielerorts weiterentwickelten Curricula, die innerhalb und zwischen den Fächern besser abgestimmt und auf wichtige Herausforderungen der Lehrerbildung – aktuell insbesondere Heterogenität/Inklusion und Digitalisierung – bezogen wurden und werden. Die wichtigen Praxisanteile sind nun deutlich besser in die Studienkonzepte integriert, die Zusammenarbeit mit den Schulen und mit der zweiten Phase wurde fast überall ausgebaut. Der an vielen Standorten konsequent betriebene Austausch zwischen allen an der Lehrerbildung beteiligten Gruppen (Fächer, Fachdidaktiken, Bildungswissenschaften) kommt nicht nur den Studierenden zugute, sondern erhöht die Identifikation mit dieser Aufgabe, und führt zu mehr Sichtbarkeit und Einfluss der Lehrerbildung an den Hochschulen. Als Folge der Qualitätsoffensive lässt sich nun allseits ein klares Bekenntnis der Hochschulleitungen zur Lehrerbildung als Profilmerkmal beobachten, das sich – und darauf kommt es besonders an – dann in strategischen Konzepten und in einem nennenswerten finanziellen Commitment für den Ausbau und die Verstetigung von Stellen in der Lehrerbildung niederschlägt.
Besonderheiten der Hochschulen müssen berücksichtigt werden
Dieses erfreuliche „große Bild“ differenziert sich bei näherer Betrachtung etwas aus. Dann zeichnet sich ab, dass die Entwicklung der Lehrerbildung an den einzelnen Standorten auf durchaus unterschiedliche Weise vorangetrieben wird und dem Profil der jeweiligen Einrichtung Rechnung trägt. Die Qualitätsoffensive hat dazu beigetragen, dass die Verantwortlichkeit für die Lehrerbildung inzwischen überall sehr viel klarer verortet, etwa an „Zentren der Lehrerbildung“ oder an „Schools of Education“. Dabei unterscheidet sich jedoch die Art und Weise, wie Zuständigkeiten geregelt, Arbeiten vorangetrieben oder Qualität gesichert werden, von Hochschule zu Hochschule. Offensichtlich müssen die Besonderheiten vor Ort – Profil, Größe, Fächerspektrum und Schulartbezug, aber auch Kulturen des Umgangs und der Steuerung – berücksichtigt werden, um die Aufgaben der Lehrerbildung in Lehre wie Forschung und Entwicklung erfolgreich meistern zu können. Entscheidend ist dabei, dass die Studierenden letztlich an allen Standorten auf einem hohen Niveau diejenigen Kompetenzen entwickeln können, die für einen zielbezogenen, wirksamen Unterricht und die professionelle Zusammenarbeit an Schulen erforderlich sind. Zur Entwicklung gemeinsamer Standards tragen die inzwischen ausgebauten standortübergreifenden Kooperationen und Austauschformate bei.
Nachhaltigkeit als wichtige Zielsetzung
Betrachtet man die Grundausrichtung der Arbeiten für den zweiten Förderzeitraum, dann besteht fast überall eine Tendenz darin, das bisher Erreichte (zum Beispiel neue curriculare Bausteine, Lehrkonzepte, Unterstützungsangebote) fest zu implementieren, aber eben auch weiter auszubauen und über die gesamte fachliche Breite der Lehrerbildung auszuweiten. Das kontinuierlich voranschreitende Arbeiten dient dazu, langfristig und nachhaltig Wirkung erzielen zu können. Nachhaltigkeit zu sichern, ist für ein zeitlich befristetes Förderprogramm eine wichtige Zielsetzung. Dabei ist auch zu sehen, dass die bereits angesprochenen aktuellen Themen (Inklusion, Digitalisierung) die Lehrerbildung mit komplexen Aufgabenstellungen konfrontieren, die über die nächsten Jahre mit viel Energie, aber nicht sprunghaft, sondern zielorientiert und sukzessive bearbeitet werden müssen.
Hochschulen zielen auf eine wissenschaftlich fundierte Professionalität
Die in der Qualitätsoffensive geförderten Hochschulen zielen übereinstimmend auf eine wissenschaftlich fundierte Professionalität, die auf den Fachwissenschaften, den Fachdidaktiken und den Bildungswissenschaften beruht und durch Evidenz zu begründen ist. Insofern trägt die Qualitätsoffensive wesentlich zur Etablierung einer evidenzbasierten und evidenzorientierten Lehrerbildung in Deutschland bei.
Künftige Herausforderungen in allen Phasen angehen
Worin bestehen die großen Herausforderungen für die nächsten Jahre? Ich gehe davon aus, dass die Hochschulen die Chance nutzen werden, mit den Mitteln der Qualitätsoffensive Strukturen und Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Lehrerbildung zu schaffen, die sich immer wieder kritisch prüft und ständig weiterentwickelt, an guten Beispielen und Erkenntnissen der Forschung orientiert und die Bedarfe der Praxis berücksichtigt. Auch wenn die Projekte die Zusammenarbeit mit der zweiten und dritten Phase deutlich verstärkt haben, werden die Wirkungen der Qualitätsoffensive am Ende jedoch davon abhängen, ob die zweite und dritte Phase ebenfalls und in ähnlicher Weise auf eine Verbesserung der Lehrerbildung abzielen werden, um sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler in Deutschland nach dem besten Wissen und anerkannten professionellen Standards unterrichtet werden.
Prof. Dr. Manfred Prenzel ist Vorsitzender des Auswahlgremiums der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung" und Leiter des Zentrums für LehrerInnenbildung der Universität Wien.