Die neue Ausschreibung der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" – Notizen aus der Perspektive des Auswahlgremiums : Datum:
Das Interesse der Hochschulen an der neuen Ausschreibung der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" war erfreulich groß – insgesamt gingen 66 Anträge zur Begutachtung ein. Auch Hochschulen, die bisher in der Qualitätsoffensive noch nicht gefördert wurden, konnten sich mit Konzepten für die beiden Schwerpunkte "Digitalisierung in der Lehrerbildung" und/oder "Lehrerbildung für die beruflichen Schulen" bewerben. Eine ganze Reihe von Hochschulen ergriff diese Chance, und dies oft mit Erfolg.
Von Manfred Prenzel und Cornelia Gräsel
Das Procedere für die Begutachtung der Anträge war wie bei den vorangegangenen Ausschreibungen: Für alle Anträge wurden im Vorfeld der Auswahlsitzung vier schriftliche Gutachten eingeholt; zwei von Mitgliedern des Auswahlgremiums, eines von einer externen Gutachterin/einem externen Gutachter und eines von einem studentischen Mitglied des Auswahlgremiums. Alle Anträge sowie die Gutachten wurden auf der zweitägigen Sitzung im Mai 2019 analysiert und diskutiert. Im Folgenden wollen wir einige Eindrücke aus der Begutachtung und Diskussion der zahlreichen Anträge zu Papier bringen.
Vorhaben zum Schwerpunkt "Digitalisierung" machten den größten Teil des Antragspakets aus
Betrachten wir zunächst die Vorhaben zum Schwerpunkt "Digitalisierung", die den größten Teil des Antragspakets ausmachten. Das Auswahlgremium war generell beeindruckt von den vielfältigen Konzepten und Herangehensweisen, die darauf abzielen, zukünftige Lehrerinnen und Lehrer die Potentiale von neuen Technologien für Unterricht und Schule im Studienalltag selbst erfahren zu lassen und sie gleichzeitig zur kritischen Reflexion der Möglichkeiten und Grenzen von Technologien anzuregen, die ihnen dabei hilft, Schülerinnen und Schüler in der Entwicklung einer vom Aktionsrat Bildung 2018 benannten "digitalen Souveränität" zu unterstützen. Man konnte feststellen, dass die besonderen Herausforderungen der digitalen Transformation für die Lehrerbildung und die Folgen für den Unterricht an Schulen inzwischen von den Einrichtungen der Lehrerbildung in Deutschland wahrgenommen werden. Diese Entwicklung wurde und wird durch die Qualitätsoffensive unterstützt.
Digitalisierungsstrategie für die Lehrerbildung muss erarbeitet werden
Es fiel jedoch auf, dass in einigen Anträgen zwar auf eine generelle Digitalisierungsstrategie der jeweiligen Hochschule verwiesen wurde, nicht jedoch auf eine explizierte eigene Digitalisierungsstrategie für die Lehrerbildung mit ihren besonderen Herausforderungen, die z. B. solche Fragen beantworten: Welche Kompetenzen müssen angehende Lehrerinnen und Lehrer erwerben, um digitale Medien im Unterricht selbst didaktisch sinnvoll zu nutzen? Wie können Lehrerinnen und Lehrer darauf vorbereitet werden, ihre Schülerinnen und Schüler auf die weit reichenden Veränderungen der Gesellschaft durch Digitalisierung vorzubereiten? Wie begegnet man der Herausforderung des schnellen Wandels von Hard- und Software?
Oftmals schien die Ausschreibung der Qualitätsoffensive erstmals Anlass gegeben zu haben, Überlegungen zu solchen Fragen anzustellen und zu beginnen, ein Digitalisierungskonzept für die Lehrerbildung zu erarbeiten.
Mehr als nur einzelne gute Beispiele entwickeln
Ein zweiter Eindruck: In fast allen Anträgen wurde hervorgehoben, dass bereits verschiedene "erste" Ansätze und "gute Beispiele" für eine problembewusste und bildungstheoretisch begründete Nutzung digitaler Technologien in der Lehrerbildung vorzuweisen sind. Zugleich wurde allerdings eine sehr große Unterschiedlichkeit in der Aufgeschlossenheit und Kompetenz der Lehrenden im Bereich der Lehrerbildung festgestellt. Die Unterschiede betreffen die Bereitschaft, sich selbst dieses Themas anzunehmen und nach Möglichkeiten zu suchen, wie der Lehr-Lernort Hochschule durch digitale Tools belebt werden kann. Sie betreffen auch das Wissen darüber, wie Lehramtsstudierende mit Herausforderungen der digitalen Transformation aus einer Bildungsperspektive vertraut werden können. Eine große Herausforderung scheint uns daher zu sein – auch bei den geförderten Projekten –, an den Hochschulen mehr zu entwickeln als einzelne gute Beispiele. Wie können digitale Medien insgesamt in die Lehrerbildung integriert werden und Lehrende überzeugt und qualifiziert werden? Der regelmäßige Austausch der Hochschulen in den nächsten Jahren wird die Gelegenheit geben, Konzepte der Implementierung zu diskutieren und gemeinsam weiterzuentwickeln.
In der "Lehrerbildung für berufliche Schulen" differenziert sich das Bild weiter
Zum Antragsschwerpunkt "Lehrerbildung für berufliche Schulen" musste das Auswahlgremium über 26 Anträge entscheiden, die eingereicht wurden (zum Teil wurde gleichzeitig das Thema Digitalisierung adressiert). Auch hier hat die Ausschreibung den größten Teil der Hochschulen, die in Deutschland Lehrkräfte für berufliche Schulen ausbilden, zu einer Antragsstellung veranlasst. Das Bild differenziert sich weiter, da es Standorte gibt, die nur Studiengänge für den Bereich Wirtschaftspädagogik oder für gewerblich-technische Berufsfelder vorhalten. Diese Bereiche sind zudem durch unterschiedliche Problemlagen (etwa Ausmaß des Lehrermangels und Höhe des Drop-out während des Studiums) gekennzeichnet. Hier griffen viele die Herausforderung auf, gezielt mehr und geeignete Studierende für ein Lehramtsstudium mit Schwerpunkt gewerblich-technische Berufe zu gewinnen, ein auf diese Zielgruppe bezogenes spezifisches Studienangebot bereit zu stellen und gegebenenfalls durch besondere Unterstützungen einem Studienabbruch entgegen zu wirken.
Mit der Begutachtungssitzung am 20. und 21. Mai 2019 hat das Auswahlgremium seine begutachtende Arbeit beendet. Alle Mitglieder sind aber hoch motiviert, die Qualitätsoffensive weiter zu begleiten und ihre Ergebnisse zu verfolgen und sich – gemeinsam mit den Projekten – weiterzuentwickeln.
Prof. Dr. Manfred Prenzel (Vorsitz) und Prof. Dr. Cornelia Gräsel (stellvertretender Vorsitz) leiten das Auswahlgremium der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung".