Die Berliner Sommerschule – eine Antwort auf Corona-bedingte Lernlücken : Datum:
Durch lange Schulschließungen zu Beginn der Corona-Pandemie drohen Schülerinnen und Schülern Lernrückstände, vor allem bei schwierigen häuslichen Lernbedingungen. Berlin hat deshalb die Sommerschule 2020 gestartet – ein konzentriertes zusätzliches Lernangebot in den Sommer- und Herbstferien.
Ein Kommentar von Sandra Scheeres
Die Corona-Pandemie trifft Kinder und junge Menschen besonders hart. Die bundesweiten Kita- und Schulschließungen waren notwendig und hilfreich, haben aber Lernrückstände verursacht und die Vorbereitung vieler Schülerinnen und Schüler auf ihre Prüfungen und Abschlüsse erschwert. Deshalb freut mich der inzwischen breite gesellschaftliche Konsens darüber, dass der Regelbetrieb unserer Bildungseinrichtungen trotz der vielen pandemiebedingten Belastungen des Schulalltags der richtige Weg ist. Wir dürfen nicht zulassen, dass Schülerinnen und Schüler durch die Corona-Pandemie unverschuldet mit gravierenden Wissenslücken und schlechteren Zukunftschancen dastehen.
Das Ausmaß der Corona-bedingten Lernrückstände werden wir in Berlin erst nach der Auswertung der eigens dafür angesetzten Lernstandserhebungen präzise beschreiben können. Es ist absehbar, dass diese individuell sehr unterschiedlich ausfallen werden und die Lernfreundlichkeit der häuslichen Umgebung dabei eine große Rolle spielt. Beengte Verhältnisse, eine unzureichende digitale Ausstattung und mangelnde familiäre Unterstützung sind in Berlin mit seiner heterogenen Schülerschaft und einer hohen Armutsquote traurige Realität. Deshalb hat Berlin in diesem Jahr unter großen Zeitdruck seine "Sommerschule 2020" organisiert, die entgegen ihrem Namen auch noch in den Herbstferien stattfindet.
Das Angebot richtet sich an ausgewählte Jahrgangsstufen sowie Willkommensklassen, es ist freiwillig und kostenlos. Die Sommerschule steht vor allem Schülerinnen und Schülern offen, die lernmittelbefreit oder Anspruchsberechtigte nach dem Bildungs- und Teilhabegesetz sind, oder aufgrund der Corona-Pandemie in eine Problemlage geraten sind, die das Lernen erschwert. Der Ablauf konzentriert sich auf Kernfächer sowie Sprachförderung, mit 15 Stunden Unterricht pro Woche in kleinen Gruppen und unter pandemiegerechten Bedingungen. Für die Durchführung wurde ein Träger beauftragt, der Anbieter ergänzender Lernförderungen einbeziehen und Honorarkräfte in großer Zahl stellen beziehungsweise kurzfristig anwerben konnte. Dies sind in erster Linie Studierende im Lehramt, pensionierte Lehrkräfte, Willkommensklassenlehrkräfte und pädagogische Fachkräfte, die bei Bedarf eine Intensiv-Qualifizierung absolvierten. So konnten wir sicherstellen, dass sich die regulären Berliner Lehrkräfte auf die Vorbereitung des nächsten, komplizierten Schuljahres konzentrieren konnten. Zum Konzept gehören auch "Übergabe"-Gesprächen zwischen den Förderkräften der Sommerschule und den Lehrkräften, damit Lerninhalte und -fortschritte weitergegeben und im Laufe des Schuljahres berücksichtig werden können.
Die Berliner Sommerschule ist, das lässt sich jetzt schon sagen, ein Erfolg. Die Anmeldezahlen lagen so hoch, dass wir das Angebot in den Herbstferien fortsetzen wollen. Mit den mehr als 1.000 durchgeführten Kursen ist der Berliner Bildungsverwaltung gemeinsam mit dem Träger und vielen engagierten Schulleitungen ein echter Kraftakt gelungen. Ein weiteres Beispiel für die notwendige Kreativität in Krisenzeiten ist das Programm "LernBrücken", mit dem wir Berliner Schulkinder in "Risikolagen" schon in den Osterferien unterstützen konnten. Träger der freien Jugendhilfe haben dabei im engen Kontakt mit den Lehrkräften individuelle Hilfe zum Lernen Zuhause angeboten.
Sommerschule und "LernBrücken" folgen dem gleichen bildungs- und sozialpolitischen Ziel: einer Abkoppelung von sozialer Herkunft und Lernerfolg. Die Corona-Pandemie hat noch einmal drastisch vor Augen geführt, wie groß die Unterschiede in den Rahmenbedingungen sind. Speziell auf die benachteiligte Schülerschaft zugeschnittene Angebote sind aus meiner Sicht unverzichtbar, um die negativen Folgen der Pandemie zu begrenzen und Chancengleichheit in der Bildung zu fördern. Der dafür notwendige Aufwand ist beträchtlich – konzeptionell, organisatorisch und finanziell. Aber er lohnt sich!
Sandra Scheeres (SPD) ist seit 2011 Berliner Bildungssenatorin.