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Bildung für Nachhaltige Entwicklung: ein fächerübergreifender Ansatz zukunftsfähiger Lehrkräftebildung in Göttingen : Datum:

Bildung ist eines der 17 Nachhaltigkeitsziele der Agenda 2030. Ziel von Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) ist die Förderung übergreifender Nachhaltigkeitskompetenzen. Mit dem Zertifikatsprogramm "Fächerübergreifendes Unterrichten", in dem BNE ein Schwerpunkt ist, setzen sich Göttinger Lehramtsstudierende interdisziplinär und praxisorientiert mit diesem wichtigen Bildungsauftrag auseinander und geben sich dabei bereits in der ersten Phase ihrer Ausbildung ein besonderes Profil.

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Bildung für Nachhaltige Entwicklung fördert übergreifende Nachhaltigkeitskompetenzen, um gemeinsam an einer zukunftsfähigen gesellschaftlichen Entwicklung zu arbeiten. © BMBF/Alexandra Roth

Von Sabina Eggert, Monika Oberle und Ragna Schnurer

"People, Planet, Prosperity, Peace, and Partnership " – das sind die fünf Kernbotschaften, die in der Präambel der Agenda 2030 als handlungsleitende Prinzipien für die Weltgemeinschaft formuliert werden und den dort verankerten 17 Nachhaltigkeitszielen, den sogenannten "Sustainable Development Goals" (SDGs), vorangestellt sind. Auch Deutschland hat sich die Erreichung dieser 17 SDGs bis 2030 auf die Agenda gesetzt, denn trotz vieler Bemühungen sind unsere globalen Probleme alles andere als gelöst. Für eine nachhaltige Entwicklung sind vielmehr grundlegende und markante Änderungen im Umgang der Menschen miteinander und ihren Umweltressourcen notwendig. Eine solche gesellschaftliche Transformation, die einen weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen ermöglicht, soll nicht von oben verordnet werden, sondern tragfähige Lösungen müssen partizipativ und demokratisch entwickelt werden.

In diesem gesamtgesellschaftlichen Such-, Lern- und Gestaltungsprozess spielt Bildung eine zentrale Rolle. So wird "Hochwertige Bildung" explizit als eines der 17 Ziele benannt und damit ihre Bedeutung für die Verwirklichung einer zukunftsfähigen Entwicklung unterstrichen. Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) hat zum Ziel, übergreifende Nachhaltigkeitskompetenzen bei Lernenden und Lehrenden – auf allen Ebenen im Bildungssystem – zu fördern, um so die Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 zu unterstützen.

Bildung für Nachhaltige Entwicklung in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung

Um Lernende auf ihrem Weg zu reflektierenden, innovativen, vorausschauenden und verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern zu unterstützen, kommt Lehrkräften eine Schlüsselrolle zu: Ihr Wissen und ihre Kompetenzen sind ausschlaggebend dafür, ob Bildungsprozesse und -institutionen zukunftsfähig umgestaltet werden können. Das "Schlözer Programm Lehrerbildung" der Universität Göttingen hat sich seit Beginn der ersten Förderphase der "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" zum Ziel gesetzt, einen Beitrag für BNE in der lehramtsbezogenen Hochschulbildung zu leisten. Ziel dabei ist es, sowohl neue Studienangebote zu schaffen als auch bestehende Projekte und Akteurinnen und Akteure (besser) miteinander zu vernetzen und Synergien zu nutzen.

Schwerpunkt "Bildung für Nachhaltige Entwicklung" im Zertifikatsprogramm Fächerübergreifendes Unterrichten

Ein Ergebnis dieser Arbeit im Handlungsbereich "Fächer vernetzen" ist das Zertifikatsprogramm "Fächerübergreifendes Unterrichten" für Lehramtsstudierende, welches seit dem Sommersemester 2017 angeboten wird und mittlerweile dauerhaft in die Strukturen der universitären Lehrerinnen- und Lehrerbildung implementiert ist. An der Entwicklung und Implementation des Zertifikatsprogramms waren mehrere fachdidaktische und fachwissenschaftliche Abteilungen sowie die Zentrale Wissenschaftliche Einrichtung für Lehrkräftebildung beteiligt, die auch in Zukunft gemeinsam an seiner Weiterentwicklung zusammenarbeiten. An dem Programm, das mit einem Zertifikat abschließt, können Lehramtsstudierende aller Studienfächer teilnehmen. Einer von vier Schwerpunkten des Zertifikatsprogramms ist Bildung für Nachhaltige Entwicklung, wobei die Studierenden auch gemeinsam mit Kommilitoninnen und Kommilitonen anderer Fachdisziplinen lernen.

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Ich hätte nicht gedacht, dass man Mathematik so gut mit BNE-Inhalten verbinden kann!

Studentin des Zertifikatsprogramms "Fächerübergreifendes Unterrichten"

Von Beginn an war dies eines der Ziele im Projekt: Interdisziplinäres Arbeiten über die lehramtsbezogenen Studienfächer hinweg zu stärken und unsere Lehramtsstudierenden auch mit Studierenden anderer, auch fachwissenschaftlicher Disziplinen in Kontakt und Austausch zu bringen. Ganz im Sinne von BNE: Vernetzung und Kooperation fördern! Von den Studierenden bekommen wir immer wieder die Rückmeldung, dass es als sehr motivierend und bereichernd empfunden wird, in interdisziplinären Teams zusammenzuarbeiten und so über den Tellerrand der eigenen Studienfächer hinweg zu schauen. Kommentare von unseren Studierenden sind beispielsweise: "Jetzt weiß ich endlich besser, was die Sprachen mit BNE zu tun haben" oder "Ich hätte nicht gedacht, dass man Mathematik so gut mit BNE-Inhalten verbinden kann!".

Ein Blick in die Seminarveranstaltungen

Mittlerweile läuft das Zertifikatsprogramm im dritten Jahr und ist sowohl im 2-Fächer-Bachelor Studiengang als auch im Master of Education ein fester Bestandteil des Optional- beziehungsweise Wahlpflichtbereichs. Neben Präsenzveranstaltungen, die auch in Kooperation mit den universitären Schülerlaboren erfolgen, werden auch – und dies nicht erst seit der Corona-Pandemie – Online-Formate in den Lehrveranstaltungen umgesetzt.

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Anhand von Themenfeldern wie Klimawandel oder Plastikmüll entwickeln [die Studierenden] aus den jeweiligen Fachperspektiven heraus gemeinsam ein Lehrkonzept und erproben es in der Praxis. So werden sie in die Lage versetzt, Wege aufzuzeigen und dazu zu motivieren, im Sinne einer an Nachhaltigkeit orientierten Lebensweise beziehungsweise Gesellschaft aktiv zu werden.

Sabina Eggert, Monika Oberle und Ragna Schnurer

Zum Beispiel im Praxismodul, mit welchem das Zertifikat abschließt und in dem die Studierenden zeigen, dass sie ihr didaktisches, fachliches und fächerübergreifendes Wissen auf Bildungsvorhaben zu Nachhaltiger Entwicklung transferieren können: Hier wurde in diesem Jahr ein Online-Planspiel zum Thema "Vermeidung von Plastikmüll in der EU" von den Lehramtsstudierenden mit Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Im komplett online-basierten Spiel von "Planpolitik" wurde ein Verhandlungs- und Entscheidungsprozess des Europäischen Parlaments simuliert, der eine europäische Regelung zur Vermeidung von Plastikmüll zum Ziel hat. Die Schülerinnen und Schüler schlüpfen dabei in die Rolle von Abgeordneten unterschiedlicher Länder und Fraktionen und setzen sich spielerisch mit Fragen auseinander wie: Was bedeutet die Flut an Plastikabfällen für die Umwelt? Was kann dagegen getan werden? Und was hat die EU damit zu tun?

Screenshot aus dem Online-Multiplayer-Spiel "KEEP COOL mobil"
Schülerinnen und Schüler übernehmen im Online-Multiplayer-Spiel "KEEP COOL mobil" die Führung globaler Metropolen: Sie entscheiden über den Pfad ihrer Wirtschaft, forschen gemeinsam und sehen sich zunehmenden Klimafolgen ausgesetzt. © Carl von Ossietzky Universität Oldenburg

Vor der Corona-Pandemie wurden im BNE-Praxismodul auch ganze Projekttage für Schulklassen von den Studierenden organisiert und durchgeführt, beispielsweise zum Thema Klimawandel: Unter Einsatz des Online-Multiplayer-Spiels "KEEP COOL mobil" können die Schülerinnen und Schüler spielerisch als Entscheidungsträger einer großen Metropole ihre Weitsicht über den Zusammenhang von menschlichem Verhalten, politischen und wirtschaftlichen Strategien sowie der Entwicklung unseres Klimas trainieren. Um das Spiel zu gewinnen, müssen sie einen gangbaren Weg zwischen wirtschaftlichem Erfolg, CO2-Reduktion und Schutzmaßnahmen finden, weil extreme Klimaereignisse sonst zu verheerenden Schäden führen können. Neben der Durchführung des Spiels wurden einzelne Spielsituationen analysiert sowie Konflikte und Ereignisse exemplarisch diskutiert und vertieft. Hierdurch wird die Vielschichtigkeit des Phänomens Klimawandel und die Komplexität möglicher Lösungsansätze in der Klimapolitik greifbar und das Zusammenspiel von naturwissenschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen erfahrbar gemacht.

Anhand von Themenfeldern wie Klimawandel oder Plastikmüll entwickeln sie aus den jeweiligen Fachperspektiven heraus gemeinsam ein Lehrkonzept und erproben es in der Praxis. So werden sie in die Lage versetzt, Wege aufzuzeigen und dazu zu motivieren, im Sinne einer an Nachhaltigkeit orientierten Lebensweise beziehungsweise Gesellschaft aktiv zu werden. Auch werden sie an eine für gelingende BNE notwendige fächerübergreifende Zusammenarbeit in ihrer künftigen beruflichen Praxis herangeführt.

Vernetzung von Akteurinnen und Akteuren

Um den Austausch zwischen den Akteurinnen und Akteuren zum Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung an der Universität Göttingen zu intensivieren wurde ein BNE-Netzwerk gegründet, an dem alle Interessierten an der Universität, aus der zweiten und dritten Phase der Lehrkräftebildung sowie Akteurinnen und Akteure aus der außerschulischen Bildung, zum Beispiel Vertreterinnen und Vertreter außerschulischer Lernorte für BNE, teilnehmen. Aus dieser Netzwerkarbeit entstand beispielsweise eine Kooperation mit dem "Studium Oecologicum" der Universität, dessen Vorlesung zu Grundlagen Nachhaltiger Entwicklung Teil des Zertifikatsprogramms ist.

Es existieren bereits viele gute Beiträge einzelner Disziplinen zur Nachhaltigen Entwicklung. Wir müssen aber berücksichtigen, dass eine Nachhaltige Entwicklung durch sehr komplexe Gesellschaft-Umwelt-Beziehungen geprägt ist. Diese lassen sich in ihrer Gesamtschau nur interdisziplinär untersuchen und gestalten, also in gemeinsamen Anstrengungen von Disziplinen verschiedener Fakultäten. Ebenso bedarf es innovativer fächerübergreifender Bildungsbeiträge unter Einbeziehung aller Unterrichtsfächer und mit Kooperationen von schulischen und außerschulischen Akteurinnen und Akteuren, wobei gut qualifizierten Lehrkräften eine Schlüsselrolle zukommt. Mit dem Zertifikatsprogramm und dem Netzwerk BNE möchte das "Schlözer Programm Lehrerbildung" diese Prozesse nachhaltig voranbringen.

 

Dr. Sabina Eggert ist Koordinatorin und Dozentin im Zertifikatsprogramm "Fächerübergreifendes Unterrichten" der Georg-August-Universität Göttingen, in dem der Schwerpunkt Bildung für Nachhaltige Entwicklung verortet ist.

Dr. Monika Oberle ist Professorin für Politikwissenschaft/Didaktik der Politik an der Georg-August-Universität Göttingen und Mitglied der Leitungsgruppe des "Schlözer Programm Lehrerbildung", in dem sie auch den Handlungsbereich "Fächerübergreifendes Unterrichten" verantwortet.

Ragna Schnurer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im "Schlözer Programm Lehrerbildung" der Georg-August-Universität Göttingen, Koordinatorin des im SPL verorteten fächer- und phasenübergreifenden BNE-Netzwerks und Dozentin im Zertifikatsprogramm BNE.