Die Tübingen School of Education: forschungsbasiert – anwendungsbezogen – verantwortungsbewusst : Datum:
Als fakultätsübergreifende wissenschaftliche Einrichtung koordiniert und realisiert die Tübingen School of Education sämtliche lehr-, forschungs- und entwicklungsbezogenen Aktivitäten der Tübinger Lehrkräftebildung. Sie ist intern und extern hochgradig vernetzt. Seit ihrem Aufbau 2015 wurde personell, inhaltlich und strukturell eine nachhaltige Neugestaltung der Tübinger Lehrkräftebildung vorangebracht.
Von Nina Beck und Thorsten Bohl
Die Tübingen School of Education (TüSE) wurde 2015 im Rahmen einer langfristig angelegten strategischen Entscheidung der Hochschulleitung und des Senats der Universität gegründet. Der Ausbau der TüSE wurde durch die gemeinsamen Förderprogramme von Bund und Ländern massiv gestärkt. Ein in der Geschichte der deutschen Lehrkräftebildung nahezu einmaliges Commitment für Lehrkräftebildung führte unter anderem zur Finanzierung von 19 neuen Professuren für Lehrkräftebildung (davon 13 fachdidaktische Professuren) und acht neuen Akademischen Ratsstellen.
Vorbereitung auf ein hochkomplexes Tätigkeitsfeld – Leitbild und Zielsetzung
Globale gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, digitale Transformationen, Bildungsungleichheit oder in jüngster Zeit die Covid-19-Pandemie sind ohne generationenübergreifende Diskurse, Strategien und Maßnahmen nicht bewältigbar. Bildung und eine forschungsbasierte, fachbezogene und professionsorientierte Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern ist die Voraussetzung für qualitätsvollen Unterricht, für die Einführung von Innovationen in der Schule und für die Vermittlung von Kompetenzen und Werten für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Die TüSE richtet ihr Engagement im Kern darauf, angehende Lehrkräfte in der Entwicklung eines differenzierten, auf fachlicher Expertise beruhenden Reflexions- und Urteilsvermögens im Studium bestmöglich zu unterstützen und für ein hochkomplexes Tätigkeitsfeld optimal vorzubereiten. Sie bearbeitet und integriert in hohem Maße gesellschaftliche Dynamiken, nimmt ihre gesellschaftliche Verantwortung wahr und leistet ihren Beitrag zur universitären Third Mission
Struktur und Governance der Tübingen School of Education
Die Organisationsform der TüSE als zentrale fakultätsübergreifende wissenschaftliche Einrichtung, ihre Governance und die einzelnen Arbeitsbereiche sowie die Arbeitsstrukturen zeichnen sich durch einen außerordentlich hohen Vernetzungsgrad aus. Die TüSE arbeitet eng mit allen lehrkräftebildenden Fakultäten, den über 25 Lehramtsfächern und weiteren internen und externen Einrichtungen wie dem Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen, dem Seminar für Ausbildung und Fortbildungen für Lehrkräfte Tübingen (Gymnasium) oder den Schulen in der Region Tübingen zusammen. Sowohl die täglichen Arbeitsprozesse als auch langfristige Strategieentwicklungen sind geprägt durch die Arbeit an inter- und intraorganisationalen Schnittstellen und durch stetige Integrationsleistungen. Zentraler Ort dieser integrativen Aushandlungsprozesse ist das School Board, in dem Vertretungen des gesamten TüSE-Netzwerkes wesentliche arbeitsbereichsübergreifende Perspektiven beratschlagen und Entscheidungen treffen.
Die Lehrkräftebildung wurde durch die vielfältigen Reformen und Entwicklungen deutlich gestärkt, gleichzeitig bestehen erhebliche institutionelle Problemlagen und Herausforderungen. Eine nationale Initiative ‚Institutionalisierung Lehrerbildung‘ beziehungsweise das daraus entwickelte ‚Eckpunktepapier Institutionalisierung Lehrerbildung‘ agiert hier als wichtiger Impulsgeber. Die Eckpunkte zielen auf die Beschreibung, Diskussion und Etablierung elementarer institutioneller Standards der Lehrkräftebildung für die zentralen (wissenschaftlichen) Einrichtungen.
Sieben Arbeitsbereiche bearbeiten zentrale Themen der Lehrkräftebildung
Die TüSE wird von einem professoral besetzten Vorstand (Direktor/Direktorin sowie zwei Stellvertretungen für die Arbeitsbereiche Studium und Lehre und Internationalisierung) sowie einer arbeitsbereichsübergreifend agierenden Geschäftsführung geleitet. Mit ihrer Neugründung hat sie sich im Vergleich zum einstigen Zentrum für Lehrerbildung, das mit nur einer Mitarbeitendenstelle ausschließlich studienorganisatorische Fragen bearbeiten konnte, mit Blick auf das Aufgabenspektrum erheblich ausdifferenziert. Die TüSE stellt sich nun als forschungsstarke wissenschaftliche Einrichtung dar, die mit deutlich gewachsenen Personalressourcen zentrale Themen der Lehrkräftebildung bearbeiten und Innovationen aufnehmen kann.
Die derzeit sieben Arbeitsbereiche 1. Studium und Lehre/Informations- und Beratungszentrum Lehramt, 2. Professionsbezug, 3. Forschung, 4. Nachwuchsförderung, 5. Diversity und Inklusion/Exklusion, 6. Internationalisierung sowie 7. Digitalisierung sind jeweils konzeptionell an den Leitpunkten (forschungsbasiert – anwendungsbezogen – verantwortungsbewusst) ausgerichtet und realisieren unterschiedliche Projekte und Maßnahmen.
Die Forschungsstruktur (gebündelt im Arbeitsbereich Forschung TüSE Research) ist durch drei Forschungslinien markiert, die der fachlichen und forschungsmethodologischen Vielfalt der beteiligten Akteure sowie den interdisziplinären Bottom-up- und zielgerichteten Top-down-Interessen und Strategien gerecht werden. Die TÜSE hat seit ihrer Gründung 2015 über 20 Millionen Zweit- und Drittmittel einwerben können. Ziel ist es, die vorhandene Expertise in Bildungswissenschaften, Fachdidaktiken und affinen Fachwissenschaften bestmöglich zu vernetzen, um eine exzellente, kooperative und interdisziplinäre Lehrkräftebildungs-, Schul-, und Unterrichtsforschung am Standort Tübingen zu realisieren. Maßgeblich vorangebracht wird dieses Ziel durch die derzeit acht Special Interest Groups (SIGs) bestehend aus bildungswissenschaftlichen, fachdidaktischen und fachwissenschaftlichen Akteuren. Die Forschungsarbeiten der SIGs sollen mittelfristig in anspruchsvolle, zum Beispiel DFG-Forschungsformate einmünden; hierfür werden verschiedene Maßnahmen und Strategien, wie zum Beispiel die interne Vergabe von Qualifikationsstellen, vorbereitend eingesetzt.
Weiterer Schwerpunkt ist die Förderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Qualifikationsphasen, welcher im Rahmen des kooperativen Tübinger Nachwuchsförderprogramms (TüNaPro) bereits erfolgreich realisiert wird. Die Förderstruktur soll nunmehr durch ein kooperatives Postdoc-Kolleg ausgebaut werden. Eine systematische Förderstruktur im Postdoc-Bereich wird als zentral erachtet, um dem erheblichen Mangel an qualifizierten Nachwuchswissenschaftlerinnen in der Lehrkräftebildung(sforschung) entgegenzuwirken und damit forschungsbasierte Lehrkräftebildung weiterzuentwickeln.
Die Bedeutung von Digitalisierung in Bildungskontexten und damit auch in der Lehrkräftebildung nimmt rasant zu. Wesentlich ist deshalb, Lehrkräftebildung sowie (über vielfältige Translationsmaßnahmen) Schulen und folgende Generationen im Bereich digitale Bildung zu stärken. Der Arbeitsbereich Digitalisierung der TüSE beziehungsweise das Zentrum für Forschung und Transfer Digitalisierung in der Lehrerbildung Tübingen (TüDiLB) bündelt in enger Kooperation mit dem Institut für Erziehungswissenschaft und dem Leibnitz-Institut für Wissensmedien in Tübingen vielfältige digitalisierungsbezogene Projekte und Maßnahmen. Neben der Durchführung von schulnahen Forschungs- und Entwicklungsprojekten werden im TüDiLB innovative Transferkonzepte für Lehrkräfte wie systematische Reviews oder erprobte, forschungsbasierte Unterrichtseinheiten entwickelt und angeboten. Der Themenkomplex ist zudem seit einigen Semestern als Pflichtmodul systematisch im Lehramt verankert. Mittelfristig soll eine inhaltliche Ausweitung mit Blick auf technologische Innovationen erfolgen.
Herausforderungen und Entwicklungsperspektiven
Neben diesen digitalisierungsbezogenen Entwicklungsambitionen spielen die Erweiterung der Förderstruktur für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Post-Doc-Bereich, die konsequente Weiterentwicklung der Forschungsausrichtung der Tübingen School of Education sowie die Ausweitung der Arbeiten zur Qualitätsverbesserung im Bereich Studium und Lehre eine zentrale Rolle. Dies beinhaltet beispielsweise die Reduktion von Prüfungsspitzen und die Vermeidung von Überschneidungen im Pflichtbereich oder die Stärkung innovativer Lehrformate zur Förderung der Kohärenz von Fachwissenschaft und Fachdidaktik. Ebenso wichtig ist die Fortsetzung und weitere Innovierung der vielfältigen Formen wissenschaftlicher Kommunikation an der TüSE zum Beispiel mit den Veranstaltungsreihen ‚Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung‘ oder die Open-Access Schriftenreihen. Außerdem ist die Diskussion und Weiterentwicklung institutioneller Standards für die Qualität der Lehrkräftebildung, wie etwa im Eckpunktepapier ‚Institutionalisierung Lehrerbildung‘, essentiell.
Dr. Nina Beck ist Erziehungswissenschaftlerin und seit 2016 Geschäftsführerin der Tübingen School of Education.
Prof. Dr. Thorsten Bohl ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Schulpädagogik und seit Gründung 2015 Direktor der Tübingen School of Education.