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Warum wir eine Qualitätsoffensive 2.0 brauchen : Datum:

Inmitten eines beispiellosen Lehrkräftemangels darf sich der Bund nicht aus der Verantwortung für die Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer stehlen, sondern muss für die Verstetigung und Weiterentwicklung der 2023 ausgelaufenen „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ sorgen. Dabei geht es um nachhaltige Impulse für Qualitätsverbesserungen und Strukturentwicklungen, aber auch um einen spürbaren Beitrag für den Ausbau von Studienplätzen und die Verbesserung der Betreuungsrelationen.

Porträt von Dr. Andreas Keller
Dr. Andreas Keller © GEW

Ein Kommentar von Andreas Keller

Die vom Bund mit rund 500 Millionen Euro finanzierte "Qualitätsoffensive Lehrerbildung" (QLB) hat von 2015 bis 2023 wichtige Impulse für Innovationen in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern an den Hochschulen gesetzt – denkt man etwa an die Verbesserung der Praxisbezüge im Studium, den Umgang mit Heterogenität und Inklusion oder die Verbindung von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaft, aber auch an die neuen Förderschwerpunkte ab 2020 zur Digitalisierung sowie zur beruflichen Bildung. Anders als ursprünglich befürchtet, wurde die Qualitätsoffensive keine Exzellenzinitiative für die Lehrkräftebildung, die wenige Leuchttürme errichtet und die Förderung in der Breite vernachlässigt: Von der Förderung profitierten nicht weniger als 72 Hochschulen in allen 16 Bundesländern.

Trauerfeier statt Aufbruch in eine neue Phase

Der Abschlusskongress zur QLB im Oktober 2023 hätte daher Anlass nicht nur für einen Rückblick auf eine Dekade erfolgreicher Förderung, sondern zugleich Fanal für einen Aufbruch in eine neue Phase werden können. Stattdessen glich der Kongress einer Trauerfeier, mit der die Qualitätsoffensive zu Grabe getragen wurde.

Ist es nicht ironisch? Inmitten eines beispiellosen Lehrkräftemangels lässt der Bund seinen Beitrag zur Qualitätsverbesserung in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sang- und klanglos auslaufen. Schon heute sind zehntausende Stellen für Lehrerinnen und Lehrer vakant, in zehn Jahren werden weit über 100.000 neu ausgebildete Lehrkräfte fehlen. Die Ursachen sind in den sich verschlechternden Arbeitsbedingungen zu suchen, aber auch in Qualitätsdefiziten in der Lehrkräftebildung. Studierende beklagen die unzureichende Verknüpfung von theoretischer und praktischer Ausbildung und schlechte Betreuungsrelationen – an den Universitäten fühlen sie sich häufig verloren zwischen den auf unterschiedliche Fakultäten verteilten Fachdisziplinen und Bildungswissenschaften. Die Folge sind lange Studienzeiten, Studienabbrüche oder der Wechsel in andere Studiengänge.

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Inmitten eines beispiellosen Lehrkräftemangels lässt der Bund seinen Beitrag zur Qualitätsverbesserung in der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sang- und klanglos auslaufen.

Dr. Andreas Keller

Fünf Handlungsfelder für eine Qualitätsoffensive 2.0

Es ist daher höchste Zeit für eine auf Dauer angelegt Qualitätsoffensive 2.0. Nie war das Engagement des Bundes für die Lehrkräftebildung wichtiger als heute. Mit einem neuen Programm könnte der Bund gemeinsam mit den Ländern in fünf Handlungsfeldern nachhaltige Reformen und Qualitätsverbesserungen anstoßen.

Erstens ließen sich die mit der Qualitätsoffensive gesetzten Impulse für Innovationen in der Lehrkräftebildung ausbauen und verstetigen. Die Projekte haben neue Ideen und Handlungsansätze entfacht, die jetzt wie Strohfeuer zu erlöschen drohen. Eine auf Dauer angelegte Qualitätsoffensive 2.0 könnte dem abhelfen und für nachhaltige Reformen sorgen.

Zweitens könnte eine Qualitätsoffensive 2.0 eine bundesweite Vernetzung aller Akteure in der Lehrkräftebildung organisieren – von den Hochschulen, Fakultäten und Instituten über Studienseminare und Fortbildungseinrichtungen bis hin zu den einzelnen Forscherinnen und Forschern sowie Ländern, Bildungsgewerkschaften und Studierendenvertretungen.

An den Universitäten könnte die Qualitätsoffensive 2.0 drittens die Strukturentwicklung vorantreiben, das heißt den Aufbau und die Etablierung von Zentren für Lehrkräftebildung beziehungsweise Schools of Education und deren Weiterentwicklung zu Lehrkräftebildungsfakultäten unterstützen.

Bachelor/Master oder Staatsexamen, sieben, acht, neun oder zehn Semester, unterschiedliche Anteile von Bildungswissenschaften, Fachwissenschaften und Fachdidaktiken – die Lehrkräftebildung im Bildungsföderalismus gleicht einem Flickenteppich. Diesen vermag eine Qualitätsoffensive allein nicht zu überwinden, sie wäre aber viertens das richtige Instrument, um nach Maßgabe der länderübergreifenden Standards der Kultusministerkonferenz die Vergleichbarkeit und Kompatibilität der Strukturen der Lehrkräftebildung in den 16 Bundesländern zu stärken.

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Es geht letztlich um nichts Geringeres als um die Frage, ob sich der Bund nach zehn Jahren Qualitätsoffensive aus der Verantwortung für die Lehrkräftebildung stehlen kann. Meine Antwort darauf ist ein klares Nein, denn das wäre nichts anderes als ein Rückzug auf Kosten der Zukunftschancen einer ganzen Generation.

Dr. Andreas Keller

Fünftens und letztens sollte eine Qualitätsoffensive 2.0 einen spürbaren Beitrag zum Ausbau der Kapazitäten und zur Verbesserung von Betreuungsrelationen in den Lehramtsstudiengängen leisten. Immer noch werden Studienberechtigte von der Ausbildung zur Lehrerin oder zum Lehrer abgehalten, weil Studienplätze fehlen und Zulassungsbeschränkungen bestehen. Die Zahl der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer hält nicht mit der Zahl der Studierenden Schritt, der Löwenanteil der Lehre wird von befristet beschäftigten wissenschaftlichen Mitarbeitenden, Lehrkräften für besondere Aufgaben und Lehrbeauftragten geleistet. In Ergänzung zum Zukunftsvertrag „Studium und Lehre stärken“ könnte daher die Qualitätsoffensive gezielt Dauerstellen für Daueraufgaben in der Lehre in der Lehrkräftebildung schaffen.

Es geht letztlich um nichts Geringeres als um die Frage, ob sich der Bund nach zehn Jahren Qualitätsoffensive aus der Verantwortung für die Lehrkräftebildung stehlen kann. Meine Antwort darauf ist ein klares Nein, denn das wäre nichts anderes als ein Rückzug auf Kosten der Zukunftschancen einer ganzen Generation.


Dr. Andreas Keller ist stellvertretender Vorsitzender und Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).